Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
Vom Netzwerk:
Seufzer der Erleichterung, ein glückliches Aufschluchzen, das ihr Gesicht in einen hellen Schein tauchte, von Tränen geschmückt.
    Â»Aber nein. Zu Hause, ganz normal. Der Wecker hatte noch nicht geklingelt, da kam Mutter ins Zimmer gestürzt.«
    Auf einmal kam Krum die ganze Absurdität der Situation und der seelischen Verfassung Gerginas zu Bewusstsein, und er musste lachen. Als wäre dies ein Zeichen, nahm Gergina Weleva das Stieltöpfchen, goss ihm von dem Rest türkischen Kaffees in eine Tasse und begann ebenfalls zu lächeln. Ein Lächeln des Überlebenden nach dem Tornado.
    Â»Deine eigene Beerdigung zu erleben, das ist schon was.«
    Der Kaffee war so heiß, er verbrannte sich fast den Mund.
    Â»Wer hat Ihnen denn diesen bösen Streich gespielt? Und warum?«
    Gergina schniefte unbekümmert; sie hatte sich vom Schock erholt, und ihre unzugängliche Hässlichkeit wiedererlangt, die Krum Krumov aber nicht abstieß, sondern ihn mit einem seltsamen Kleinmut und Bedröppeltheit erfüllte. Vielleicht hatte das damit zu tun, dass Gerginas Hässlichkeit, genauer gesagt, ihre unkoordinierten Gesichtszüge so ungeheuer raumgreifend und präsent waren, dass er sich wie ein Grundschüler vor der strengen Klassenlehrerin fühlte, und vor der musste man sich in Acht nehmen, durfte nicht zu vertrauensselig sein. Gleichzeitig aber hatten diese im Einzelnen schönen, aber unglücklich gefügten Züge ihres Gesichts etwas, das seinen Beschützerinstinkt weckte, ihn ungemein anzog und in ihm den Wunsch aufkeimen ließ, für diese Frau zu kämpfen gegen die Ungerechtigkeit und das menschliche Unglück.
    Er erzählte ihr in knappem Telegrammstil, was sich gestern im Büro seines ehemaligen Mitschülers und jetzigen skrupellosen Geschäftemachers Pawel Tscholev abgespielt hatte, wie er das Kaufangebot von dessen Bruder im Geiste der Geschäfte abgelehnt hatte, der ihm angedroht hatte, man würde sich wohl nicht wiedersehen, und prompt am Morgen darauf: die wimmernden Laute seiner Mutter, die ihn weckten, und die Todesanzeigen in der ganzen Stadt. Gergina richtete ihre Kleidung, beim Zuhören traten ihr erneut Tränen in die Augen. So schwimmend in Angst und Schmerz, Schmerz und Angst um ihn , schienen sie Krum wunderschön zu sein.
    Â»Und was werden Sie jetzt tun?«
    Â»Oh, das weiß ich noch nicht.«
    Â»Ich habe Angst um Sie, Herr Marijkin. Ich bitte Sie doch sehr, Sie müssen etwas unternehmen.«
    Â»Ja sicher, ich … wissen Sie …«
    Â»Vielleicht zur Polizei gehen? Ach nein, wer wird denn da auch nur den Finger rühren, wenn die hören, wer hinter der ganzen Geschichte steckt.«
    In seiner Verwirrung zog Krum das Handy aus der Tasche und wählte instinktiv, ohne groß zu überlegen, die Nummer Tscholevs. Die war leicht zu merken, weil fünf Sechsen darin vorkamen.«
    Â»Nein«, tat der Angerufene überrascht, »es ist nicht zu glauben: Krum Krumov, Sohn des Genossen Marijkin, höchstselbst – das Wunder der Auferstehung hat sich ereignet, Widin hat seinen eigenen Jesus!«
    Â»Ja, ich bin’s«, bestätigte Krum blöde. »Wollte nur sagen: Bin jetzt einverstanden!«
    Â»Ich geh so am Morgen ins Restaurant von Balkantourist, um meinen Magen- und Darmtrakt zum Frühstück mit einer gepflegten Kuttelsuppe zu verwöhnen, und was sehen da meine entzündeten Augen am Markt: deine Fahrkarte ins Jenseits, mit Foto, Geleitgruß und allem Pipapo. Tja, denk ich, schau sich das einer an: gestern noch gesund und munter, und heute schon Land unter! Ich so zu meiner Zezi hier: Zezi, sag ich, es gibt doch keinen bescheuerteren Nährboden für die menschliche Sturheit als den Stolz, den verfickten und verzwickten Stolz.« Er lachte zufrieden über seine schönen Sticheleien. »Bevor ich’s vergesse zu fragen: Womit bist du einverstanden?«
    Â»Mit dem Angebot von deinem guten Freund.« Krum hob die Tasse mit dem ungesüßten Kaffee an die Lippen; der war das Einzige, was ihm noch bitterer schmecken würde als seine Selbstverachtung. Der Kaffee war kalt geworden. »Aber ich bräuchte die sechzigtausend Euro sofort, und müsste einen Monat Zeit haben, um alles zu regeln.«
    Â»Einen ganzen Monat?«
    Â»Ja, um wenigstens noch zehn Riesen mehr rauszuholen.« Krum schluckte mit Mühe. »Hab halt doch was von dir

Weitere Kostenlose Bücher