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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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du nichts zu verlieren, aber wenn du glücklich bist – wirst du unsicher, vorsichtig und abergläubisch.«
    Â»Und ich dachte, du zitierst mich in diese Gruft hier und schmeißt mir eine Runde, weil du mir böse bist.« Maja schlürfte zufrieden an ihrem zweiten Wodka-Feige und kniff genießerisch die Augen zusammen.
    Â»Ich dir böse sein?« Dessislava hatte gerade die Miete für die geerbte Wohnung kassiert und konnte großzügig sein.
    Â»Weißt du, du bist unmöglich, Schwester, machst mich ganz meschugge mit deinem burgfräuleinhaften Edelsinn und deinem altjüngferlichen ›Huch! Und hach! Und da hat er mich angefasst!‹«
    Â»Warum sollte ich dir böse sein?«
    Â»Naja, wegen Sim halt …«
    Â»Simeon und ich sind seit Jahren getrennte Leute, und daran hattest du nicht die geringste Schuld.«
    Â»Okay, gut, aber dass wir es mit unserem Techtelmechtel gleich so weit treiben würden, dass wir auf dem Standesamt landen, damit haste vielleicht ja doch nicht gerechnet, hm?«
    Â»Nein, erwartet hab ich’s nicht, das geb ich zu. Aber umso mehr freu ich mich für euch. Ihr seid einfach füreinander geschaffen, und das hab ich euch – wenn du es ehrlich zugibst – doch auch schon zu Studienzeiten gesagt, oder?«
    Â»Eh, damals war nicht nur bei Hamlet so einiges faul im Staate Dänemark.«
    Dessislava sagte nichts dazu. In der Regel wurde ihre Freundin beim zweiten großen Wodka gallig, beim dritten traurig, beim vierten verwegen und haltlos.
    Â»Hast du Hunger?«, fragte sie schließlich. »Die machen hier nämlich ganz guten überbackenen Toast.«
    Â»Hunger hab ich auch, aber mir ist mehr nach Trinken. Also lenk mich nicht ab, Schwester … Ach, was ich dich noch fragen wollte: Hättest du die Güte, mir zu verraten, welches der erhabene Grund deines unverhofften Glückes ist? Man sieht’s dir übrigens an.«
    Dessislava überlegte einen Moment, ob sie das überhaupt irgendjemandem verraten wollte, dann gab sie sich einen Ruck und sagte:
    Â»Bin schwanger!«
    Â»Yeah, yeah, herrjemine! Was für ’n wunderbarer Horror. Hör mal, Herzchen, wenn das so ist, dann darfste mir jetzt wirklich so eine Knusperscheibe mit Käse-Eier-Belag zum Alk kredenzen. Dann steck ich auch den dritten großen Wodka besser weg.«
    Maja kicherte. Da hatte Dessislava ihr doch einen schönen Grund geliefert, sich heute an ihrem freien Tag die Kante zu geben.
    Â»Und wer ist der Übeltäter?«
    Â»Wen meinst du mit Übeltäter?«
    Â»Na, den Erzeuger!«
    Â»Der Erzeuger, Übeltäter und Vater des Kindes ist ein ganz wunderbarer, ein ziemlich sonderbarer, ein … Na, ich hab sowieso beschlossen, das Kind allein aufzuziehen.«
    Â»Nee, das ist mir jetzt zu viel. Der Vater ist also ein absonderlicher Widerling?«
    Â»Hör mal zu, Maja, ich bestell dir jetzt deinen Toast und noch einen Riesenwodka, aber unter einer Bedingung: dass du aufhörst zu fragen. Ich wollte dich nämlich aus einem ganz anderen Grund sehen!«
    Â»Also tatsächlich ein Widerling, verdammte Scheiße! Stimmt’s oder hab ich recht?« Die Neugier schlug ihre Nagezähnchen in Majas Seele, aber größer noch als die Neugier war das Rauschbedürfnis. »Na, raus mit der Sprache, wozu hast du meine sterbliche Hülle einbestellt?«
    Â»Nach zwei, drei Monaten muss ich hier den Abflug machen«, erklärte Dessislava mit Kloß im Hals, »und dann muss einer die Bonbonniere übernehmen. Wie du dir denken kannst, muss das jemand sein, zu dem ich Vertrauen habe und – der das Theater von Anfang an kennt, es leidenschaftlich liebt.«
    Â»Willst du damit sagen, dass ich …«
    Â»Aber sicher! Wenn ich mich so umschaue, sehe ich keinen anderen, dem ich etwas mir so Wichtiges ans Herz legen könnte.«
    Â»Du siehst mich sprachlos. Aber ehrlich gesagt: Ich weiß nicht recht …«
    Â»Die Idee zu diesem Theater der anderen Art kam doch schon von dir.«
    Â»Die Idee – ja; aber alles, was dann kam, ist doch deinem holden Hirn entsprungen. Und die dicke Kohle hast du auch an Land gezogen.«
    Ein Paar, das besonders fein sein wollte und dies vom akkurat frisierten Scheitel bis zur teuren Kalbsledersohle demonstrierte, betrat das Café. Maja hatte sich bereits intensiv um ihr drittes Wasserglas Wodka gekümmert und kannte nun keine Grenzen

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