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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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Fernseher spätestens dann ausschaltete, wenn das Gesicht ihres Mannes darauf erschien, und Jana stattdessen Michel aus Lönneberga oder Pu, der Bär in die Hand drückte, um ihre Tochter so dem menschlichen Innenleben näher zu bringen und nicht der sich abnutzenden Sichtbarkeit ihres Vaters.
    Doch bei aller Eifersucht schwieg Jordan. Er sagte sich: Passiver Widerstand ist der Widerstand der Mutigen! Dabei hatte er sukzessive seine ganze Courage verloren, war zutiefst verstört, sah aber immer unerschütterlich und standfest aus, getragen von seiner Popularität und der Liebe seiner Zuschauer. Die Entfremdung zwischen Neda und ihm setzte ihm arg zu, doch auf vertrackte Art und Weise fand er sie auch unterhaltsam, denn sie erhielt ihn wachsam und half, dass er sich selbst nicht überdrüssig wurde.
    Â»Freiheit ist nicht nur die Freiheit des Andersdenkenden, wie Rosa Luxemburg meinte, sondern überhaupt anders sein zu dürfen als die anderen«, hatte ihm Grischa bei einem Abendessen gesagt, und er hatte darauf impulsiv erwidert: »Na, dann sind die Verrückten ja hochgradig frei, und der Tote absolut frei!« Damals konnte er natürlich nicht ahnen, wie verhängnisvoll prophetisch und wahr sich seine leichtfertig hingeworfenen Worte einmal erweisen sollten.
    Die Lebenslust und sympathetische Energie solcher Gruppen kannte er ja nun auch aus eigener Erfahrung. Er hatte Englisch gelernt nach dem System von Dr. Losanov, der davon ausging, dass der Erlebnisfaktor den Kursteilnehmern beim Behalten des Lernstoffs helfe. Ihr Teacher war eine ältliche Dame, die mit ihrem fülligen Dekolleté und ihren flinken Äuglein einer gut beschäftigten Kupplerin glich. An diesen schläfrigen Nachmittagen hatte Jordan die Rolle des berühmten Regisseurs Mike zu spielen, Partnerin im Rollenspiel war Linda , die eine berühmte Schauspielerin verkörperte. Linda war Sekretärin im Außenhandelsministerium, hatte lange Beine, Brüste, die ungehorsamen Kindern glichen, und war überhaupt ein prachtvoller Beweis für den guten Geschmack ihres Chefs. Im Pingpongspiel ihrer englisch geführten Dialoge gab es so manche Anzüglichkeit: »Don’t press my dress, or all the scene will be a mess!«
    Wenn der Kurs nicht rechtzeitig zu Ende gegangen wäre, hätte der Film mit Linda und Mike vermutlich ein recht intimes Happyend gefunden.
17
    Als er die Dusche abdrehte, fühlte er sich wieder rein. Jetzt musste er etwas tun, denn die nächste Sendung stand bevor. Nur war heute ein schwieriger Tag, Mittwoch, und er wartete. Wartete, dass Neda nach Haus kam. Oder für immer irgendwo dortblieb ! Je mehr seine Erwartung stieg, desto größer wurde seine Selbstverachtung; dabei musste er für seine Sendung Runder Tisch vor Enthusiasmus bersten.
    Dieser quälende Zwiespalt hinderte ihn an der Konzentration, zermürbte ihn. Die Frische nach seiner rituellen Duschung – wie nie gewesen. Er hätte sich am liebsten Nedas ganzes Anti-Erdbeben-Vorsorgepaket gekrallt und durch die Luke in den Müllschacht geworfen. Ein für alle Mal. Doch er hatte in seinem noch jungen, aber von Erfolgen überhäuften Leben bereits begriffen, dass dieser Plastikbeutel, Symbol des durchgestandenen Albtraums, die Nabelschnur war, die Neda und ihn miteinander verband und so etwas wie Nähe schuf. Er schaute in den beschlagenen Spiegel. Erinnerte sich an Jonka, den unstillbaren Drang seiner Großmutter, die Sippe um sich zu scharen, sie zu versöhnen, sie zusammenzuhalten. Wie gern hätte er ihr jetzt gesagt: »Der Ertrinkende hat keine Angst vor der Sintflut, nicht wahr?«
18
    Er arbeitete durch bis fünf, ungeduldig und voller Wut. Wenn er nicht im Sender war, beschränkten sich seine Pflichten darauf, Ideen konzeptreif zu entwickeln. Er machte zwanzig Liegestütze und dreißig Sit-ups, um in Form zu kommen. Danach kochte er sich einen starken Kaffee der Marke »Zungenschäler«. Der Kaffee machte ihn zwar auch nicht munterer, verstärkte aber seine »Antennen«, und so half er ihm dabei, seine Inkompetenz in eine Art mystische Empfänglichkeit zu verwandeln. Er schnappte sich einen Stapel leere Blätter, verschiedenfarbige Kugelschreiber, die Tageszeitung und das Buch mit den Aphorismen – und legte sich aufs Kanapee.
    Das französische Fenster der Mansarde gab den Blick frei auf den verschneiten Bergkamm des Witoscha. Das Turteln

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