Seelenasche
euch mal! Seht ihr denn nicht hier ⦠also der Genosse Weltschev und die Damen Genossinnen hier â¦Â« Denn mochten Kellner auch abends arbeiten, an freien Samstagabenden hingen auch sie vor der Glotze.
Jordans Mädels bestellten sich Whisky, er trank Wein. Nach und nach füllte sich die Terrasse mit Gästen. Die Kuppel des Himmels dunkelte herab, über den schwarzen Silhouetten der Nadelbäume des Parks gegenüber zitterten kümmerliche Stadtsterne. Kühle wehte heran, einem erlösenden Seufzer gleich. Jordan schwieg erschöpft. Nach fünf aufregenden Tagen liebte er es, sich einfach dem sterbenden Tag hinzugeben. Das ganze menschliche Leben, so kam es ihm dann vor, könnte man in einen Sonnenuntergang packen. Seine Mädels bestellten sich noch einen Whisky, aÃen die restlichen Mandeln auf, küssten ihn kollegial auf die Stirn und gingen heim. Jordan blieb, um die Rechnung zu begleichen. Die Sendung über globale Erwärmung, die wachsenden Ozonlöcher und die weltweite ökologische Krise hatte ihn wirklich geschafft. Der Wein entspannte ihn, das Stimmengewirr um ihn her betäubte ihn. Die betrunkenen Sympathieträger mit ihren finsteren Mienen und wackersteingroÃen Pranken hatte er schon ganz vergessen. Er verspürte Lust, durch die duftschwangere Abendluft des Parks zu Fuà nach Hause zu gehen, vorbei am Sommerkino und am kleinen Stadion.
»Die Rechnung? Aber selbstverständlich, Genosse Weltschev, immer und jederzeit zu Ihren Diensten â¦Â«
Er gab dem Kellner ein groÃzügiges Trinkgeld. Popularität mochte fremde Begeisterung wecken, kam einen aber auch teuer zu stehen, weil alles, was man öffentlich tat, sich in Gesprächsstoff verwandelte!
Das Umspannwerk summte bedrohlich wie eine Wespe, als er daran vorbeiging. Als er die StraÃenbahngleise hinter dem Sommertheater überquert hatte, bemerkte er sie. Sie standen plötzlich auf der Wiese, als hätte die Nacht sie aus ihrem nach morschem Holz riechenden Maul ausgespuckt. Weià der Teufel, woran er sie erkannte. Vermutlich ihre Hemden, die sich über breiten Schultern spannten, und unter denen sie wie weggetreten wirkten. Sie sahen aufgekratzt aus, erhitzt von Hass, geladen wie das Fell einer Raubkatze. Sie umringten ihn, kesselten ihn ein, kamen näher. Sie rochen nach abgestandenem Schweià und Gewalt, nach polnischem Wodka und jenem Wildgras, das die Büffel auf dem Etikett der Flasche rupften und wiederkäuten. Ihre Augen waren nicht zu erkennen, aber ihre Ausdünstung schüchterte ihn ein. Einer ahmte die schleimige Stimme des Kellners nach:
»Womit, äh, kann ich, äh, Ihnen dienen, äh, Genosse, äh, Weltschev?«
Zehn Paar Fäuste prügeln ungeschickter als nur ein Paar. Die Männer standen sich im Weg, aber sie waren stark und gnadenlos. Sie schlugen ihn aufs Gesicht, sie zermatschten sein Gesicht, immer wieder schlugen sie ihn nur aufs Gesicht. Gegen Jordans Magengrube hatten sie nichts, nichts gegen seine Leber oder seine Milz, seinen Rücken ⦠die sah man ja nicht auf dem Fernsehbildschirm. Jordan wehrte sich nicht, denn auf einmal begriff er alles. Diese kühnen Rächer der Enterbten wollten nicht ihn zu Brei machen, nicht seine Angst und seinen Schmerz ausnutzen; sie wollten nur Jordan Weltschev bestrafen, diese arrogante, pseudoglückliche Lächelfresse aus dem Fernsehen ; sie wollten dieses ganze hypertrophierte und unerträgliche Berühmtsein, Glücklichsein und Erfolgreichsein, gegen das ihre Bedeutungslosigkeit zu etwas wurde, für das man sich schämen musste, zu Matsch kloppen! Sie rasten. Trätierten ihr Opfer methodisch und voller Genuss. Blut schoss Jordan aus der Nase, seine Ohren pfiffen und rauschten, sein Mund füllte sich mit blutigem Speichel und schwoll sofort an. Die Tannen erschraken mit spitzen Nadeln. Er hatte Angst, sie könnten ihm einen Zahn ausschlagen. Ja, die Männer nahmen Rache an Mr. Happy Mattscheibe , der mit gleich drei ansehnlichen Dämchen angegockelt kam, als sei er die Unwiderstehlichkeit selbst, und daran, dass der Kellner sie so schmählich übergangen hatte. Alle, die im Laufe des Abends auf die Terrasse gekommen waren, hatten ihn angestarrt, während sie einen ganzen Nachmittag daran gearbeitet hatten, das Terrain zu besetzen, indem sie ordentlich zugelangt hatten: Neben den zwölf Flaschen Zubrovka hatten sie zwei groÃe Grillplatten
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