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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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verzehrt, um aller Welt zu demonstrieren, was es hieß, ein freier Mann zu sein, ein Mann, der tat, wonach ihm war; aber niemand hatte das auch nur bemerkt!
    Sie kamen außer Atem, schlugen ihn stöhnend, als machten sie Liebe mit einer Frau. Und immer wieder schlugen sie nur dorthin, ins Gesicht, in dieses dreiste Lächeln, in diese Berühmtheit, bis sie es ausgelöscht hatten, bis der Träger dieses Gesichts bewusstlos wurde, bis es kein Gesicht und keinen Jordan Weltschev mehr gab.
14
    Als sie ihn erblickte, streckte Neda die Hand aus, als wolle sie sich schützen. Dann ließ sie sich gegen die Tür fallen und stöhnte auf.
    Â»Jana schläft«, sagte sie flüsternd, »bitte, auf keinen Fall … Jana schläft.«
    Er erinnerte sich gut an ihre Hand, die leicht wie ein Vogel auf seinem zugeschwollenen Auge landete, ihre Finger, die voller Liebe über seine entstellten, aufgedunsenen Lippen fuhren, über sein aufgeschlagenes Kinn, die Blutergüsse am Hals … Sein ganzes Gesicht war eine einzige Wunde, und plötzlich erkannte sie ihn. Ja, das war er. Ihr Mann. Der wahre . Sie bat ihn herein, als sei er ihr Liebhaber. Sie gingen auf Zehenspitzen, denn die Gewalt, die von Jordan ausging, schrie. Sie führte ihn ins Bad, zog ihm vorsichtig das Hemd aus und brachte Tupfer und Wasserstoffperoxid aus der Küche.
    Â»Ha’m mi ve’p’ügelt«, lallte er dümmlich.
    Â»Dein Gesicht«, sagte sie nur, »dein Gesicht …«
    Â»Böhse ve’p’ügelt.«
    Â»Ach«, sagte Neda so verwundert, als meine sie: Was redest du da?
    Da wurde ihm auf einmal klar, dass sie wusste , und dass sie ihm in diesem Moment alles verzieh. Sie zitterte, aber nicht aus Erschrecken und Bedauern. Nein, aus Zärtlichkeit zitterte sie und – Glück. Während sie ihm das Blut abwischte, schien sie ihn mehr mit den Augen als mit der Watte zu berühren, so sanft war sie. Alles ist gut, Jordan, ich zeichne es nur, dein Gesicht … Er zog seine dicke Lippe schief im Versuch, sie anzulächeln. Diese ungeschickte Geste eines traurigen Clowns gefiel ihr. Sie lachte leise. Küsste ihn. Auf ihrer Zunge der Geschmack nach frischer Wunde, ungeborgenem Blut.
    Â»Hab denen nichts getan«, rechtfertigte er sich nuschelnd.
    Neda schwieg nur, verzeihend und geduldig. Er war das verurteilte und bestrafte Böse, dem Gelegenheit zur Sühne gegeben war, einer Sühne, durch die seine Schuld abgetragen, ja, sogar zum Verdienst werden konnte.
    Â»Nach der schweren Sendung hab ich meine Mädels auf ein Gläschen eingeladen …«
    Â»Du siehst aus wie ein Boxchampion«, flüsterte sie ihm neckisch ins Ohr, »wie einer von diesen Großsprechern, die bisher alle Kämpfe gewonnen haben, und nun zur Erleichterung des Publikums endlich mal verloren.«
    Â»Die waren viele. Haben mich von allen Seiten gleichzeitig überfallen.«
    Â»Das ist jetzt deine Buße!«
    Â»Buße?« Er spürte, wie dieses Wort brannte, so prallvoll war es mit Vorwurf und Einsicht in die Richtigkeit dieses Denkzettels. Jordan dachte, sie treibe ihren Schabernack mit ihm, nehme ihn auf die Schippe, aber nichts dergleichen: Sie stellte nur das Wasser der Dusche auf die bestmögliche Temperatur ein. Dann wusch sie ihn wie ein Kleinkind, wickelte ihn ins Badehandtuch und führte ihn ins Wohnzimmer. Sie liebten sich gleich auf dem Boden. Schmerz, Angst und Gewalt stacheln die Leidenschaft an. Das Ziegenfell sprühte Funken. Gespenstisch und irreal wie ein Nordlicht war Neda überall, um ihn, bei ihm, in ihm, und stillte ihn mit jenen traumwandlerisch sicheren Bewegungen, die alles wissen. Sein Geschlechtsorgan interessierte sie nicht; was sie anzog, das war er , zu dem sie plötzlich Zugang hatte durch die zerstörte Festungsmauer seines Gesichts. Durchs Fenster schaute schläfrig der Sommer herein, sah, wie ein Stuhl umfiel, sah die Süße ihrer Vereinigung und spürte mit Schrecken, dass sein Gesicht schon bald wieder heil sein würde. Endlich sank Neda seufzend zusammen, verließ in endlicher Erschlaffung ihren Leib. Dann lagen sie da, endlos und kraftlos, glücklich und wehrlos, nicht nur beisammen , sondern zusammen .
    Â»Weißt du was?«, flüsterte sie, bevor sie sich dem Schlaf überließ. »Diese Blödmänner haben schon angefangen, dich zu lieben. Das werden deine größten Fans, und Samstag werden die

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