Seelenband
Abspielen und stellte ein Fertiggericht in die Mikrowelle. Als sie die Stimme ihrer Mutter aus der kleinen Maschine hörte, war sie nicht überrascht.
"Hallo Schatz, wir haben schon seit fast einer Woche nichts mehr von dir gehört. Geht es dir gut? Sollen wir dich vielleicht besuchen kommen? Ruf bitte an."
Valerie lächelte schuldbewusst. "Ja, ja, ich rufe gleich an", murmelte sie. Aber die nächste Nachricht lenkte sie von ihrer Mutter ab. Es war eine Männerstimme.
"Hallo Valerie, hier ist Simon. Ich hoffe, Sie erinnern sich noch an mich."
Nein, tat sie nicht.
"Ich wollte mich auf jeden Fall für den Buchtipp bedanken, ist wirklich gut bei meiner Mutter angekommen."
Ach,
der
Simon.
"Und ich möchte mich bei Ihnen mit einem Abendessen dafür revanchieren. Ich würde mich also über Ihren Rückruf sehr freuen."
Dann nannte er ihr noch seine Nummer und legte den Hörer auf.
"Keine weiteren Nachrichten"
tönte die mechanische Stimme aus dem Anrufbeantworter.
Die Mikrowelle machte
pling!
und Valerie holte ihr Essen heraus. Dann hörte sie sich Simons Nachricht noch einmal an. Während sie langsam auf ihrem Risotto kaute, überlegte sie, was sie nun tun sollte. Sie hatte Simon letzte Woche in einem Buchladen kennen gelernt, als er sich hilfesuchend nach einer Verkäuferin umgeschaut hatte. Er hatte dabei so komisch ausgesehen, dass Valerie, die ein häufiger Gast in dem Laden war, beschlossen hatte, ihm zu helfen. Er hatte nach einem passenden Geschenk für seine Mutter gesucht und sie hatte ihm nach ein paar Fragen ein Buch empfohlen. Dann hatte sie, obwohl das eigentlich gar nicht ihre Art war, ihm ihre Nummer gegeben und gemeint, er könnte ihr ja mal sagen, wie das Geschenk angekommen war. Natürlich hatte sie nie damit gerechnet, dass er wirklich anrief. Doch nun hatte er es getan.
Valerie sah sich in ihrer leeren Wohnung um, in der nicht einmal eine Katze auf sie wartete, und griff entschlossen zum Hörer. Selbst wenn nur ein Abend in angenehmer Gesellschaft herauskam, war das mehr, als sie in den letzten Monaten gehabt hatte.
Obwohl sie Simon gar nicht kannte, wurde sie plötzlich nervös, als sie seine Nummer wählte. Nach einigen Freizeichen ging er tatsächlich dran und schien aufrichtig erfreut, dass sie sich meldete. Sie verabredeten sich für den Freitagabend in einem beliebten italienischen Restaurant - eine von Valeries Regeln war: bloß nichts zu Ausgefallenes für das erste Date. Mit einem zufriedenen Grinsen legte sie den Hörer auf und schaltete den Fernseher ein. Und zum ersten Mal seit Monaten ärgerte es sie nicht, einen Liebesfilm erwischt zu haben.
Kapitel 2
Am Freitag ging Valerie etwas früher von der Arbeit, um genug Zeit zu haben, sich auf das Date mit Simon vorzubereiten. Sie genoss das Gefühl, ratlos vor ihrem Kleiderschrank zu stehen, um das richtige Outfit auszusuchen - hübsch, sexy, aber nicht zu aufreizend. Schließlich entschied sie sich für einen knielangen, engen Rock und eine leichte hellblaue Bluse, die ihre Augen zum Strahlen brachte.
Simon wartete bereits vor dem Restaurant auf sie, als sie eintraf. Er trug eine Jeans, ein helles Hemd sowie ein sportliches Jacket und sah einfach umwerfend aus. Sobald er Valerie erblickt hatte, ging er ihr entgegen. "Wow!" entfuhr es ihm, als sie sich trafen. "Sie sehen toll aus."
Valerie lächelte. "Das wollte ich Ihnen auch gerade sagen."
Er erwiderte das Lächeln. "Wollen wir reingehen?" fragte er und reichte ihr den Arm.
Ein Gentleman der alten Schule, fuhr es Valerie geschmeichelt durch den Kopf, als sie sich bei ihm einhakte.
Ein Kellner führte sie zu ihrem Tisch und reichte ihnen die Menükarten. Simon bestellte eine Flasche Weißwein und Valerie widersprach nicht.
"Auf Ihren ausgezeichneten Büchergeschmack", sagte Simon, sobald der Kellner ihre Gläser gefüllt hatte, und prostete ihr zu.
"Und auf Männer, die den Rat einer Frau annehmen können", erwiderte Valerie und erhob ebenfalls ihr Glas. Mit einem angenehmen Klirren stießen ihre Gläser aneinander und ihre Blicke trafen sich. Das versprach ja ein ganz schöner Abend zu werden.
Während sie auf ihr Essen warteten, beschloss Valerie, etwas mehr über ihn zu erfahren. "Was machen Sie eigentlich, wenn Sie nicht Bücher kaufen?" fragte sie ihn.
"Ich bin Architekt."
"Das ist ja spannend. Habe ich vielleicht schon mal ein Gebäude von Ihnen gesehen?" Interessiert beugte die junge Frau sich ein Stück nach vorn.
"Schon möglich. Ich projektiere meistens Einfamilienhäuser",
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