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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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erhob sich und blickte ihn ernst an. »Seit Jahren suche ich nach einem Hinweis, warum dieses kleine Nest so wichtig für sie gewesen ist. Aber bislang ...« Sie zuckte enttäuscht mit den Achseln.
    Pierre schwieg, denn das war nicht sein Terrain. Sie war ihm haushoch überlegen, wenn es um diese verwirrenden Details der Geschichte des Ortes ging. Er bewunderte sie zutiefst. Neben ihrer Streitlust hatte sie offenbar einige Talente bislang erfolgreich vor ihm verborgen.
    »Sehen Sie sich das hier unten mal an.« Sie deutete auf die Stelle, an der sie die ganze Zeit so eifrig herumgekratzt hatte.»Ich möchte Ihnen nur einmal zeigen, womit wir es hier zu tun haben.«
    Marie war völlig verändert. Sie war ruhig und überlegt und zum erstenmal heute hatte sie ihre Streitlust gänzlich vergessen.
    »Zwei gekreuzte Knochen und ein Schädel?« Pierre war ratlos, was das zu bedeuten hatte, und warum es auf dem Sarkophag eines Tempelritters eingemeißelt war. »Das sieht mir ...«, er zögerte, »... fast wie der Totenkopf auf einer Piratenflagge aus?« Er hatte etwas Dummes gesagt, das wußte er augenblicklich, aber jetzt war es schon raus.
    Sie lachte laut auf und lehnte sich sitzend gegen den Steinsarg. »Wissen Sie noch, wie Sie mich verlacht haben, als ich Ihnen erzählte, daß dieser Ort schon vor tausend Jahren eine Stadt mit über dreißigtausend Einwohnern gewesen ist?«
    »Stimmt ja gar nicht!« wehrte sich Pierre. »Ich habe erst gelacht, als Sie meinten, daß hier irgendwo der Schatz der Templer oder sogar der Heilige Gral versteckt sein könnte.«
    »So, so ...« Streitlustig erhob sie sich. »Und jetzt behauptet ausgerechnet der Mann, der doch alles so viel besser weiß, allen Ernstes, auf der Rückseite eines mehr als fünfhundert Jahre alten Templersarkophags sei eine Piratenflagge eingemeißelt?«
    »Das war doch noch nur ... eine Spekulation ...« Er suchte verzweifelt nach den richtigen Worten für seine Verteidigung. »Eine ... Idee!«
    »Ihr Männer seid eben nicht allwissend!« legte sie noch mal nach und wurde lauter. »Gewöhnt euch daran, daß wir Frauen auch ein Gehirn haben. Ich habe ja schließlich nicht umsonst studiert. Und wir sind nicht halb so schwach und blöd, wie ihr glaubt!« Sie drohte ihm mit dem Finger. »Und kommen Sie mir jetzt bloß nicht damit, daß mir die Hacke da oben in der Kirche zu schwer war!«
    Pierre würde sich hüten, in diesem Augenblick – eingeklemmt zwischen dieser Furie und der Rückwand des Steinsarges – irgend etwas in der Richtung zu erwähnen. Bei einer anderen Gelegenheit vielleicht. Daher lieber unschuldiges Nicken seinerseits.
    »Ist ja immer das gleiche mit euch Kerlen!« resigniert winkte sie ab und widmete sich wieder dem Totenkopf mit den beiden Knochen. Vorher sah sie noch einmal kurz zu ihm hinüber. »Aber merken Sie sich für die Zukunft: Ich weiß wovon ich rede!«
    Widerspruch war zwecklos, also lauschte er lieber schweigend ihren Worten, vielleicht konnte er – als Mann – auch noch etwas dazulernen.
    »Sehen Sie sich zum Beispiel, dieses kleine Zeichen an ... Ihren Piratenkopf ...« Schon etwas versöhnlicher lächelte sie herüber. »Dichtung und Wahrheit sind bei all dem hier ...«, sie deutete über die ungezählten Steinsärge, »... nicht mehr auseinanderzuhalten. Zur Entstehung dieses Zeichens hier, das – wie das Tatzenkreuz – oft an den Grabstellen der Templer eingemeißelt ist, gibt es zum Beispiel folgende kleine Geschichte: ... So gab es einmal einen Tempelritter, einen Herrn von Sidon, der war in Liebe zu einer gewissen Dame aus Maraclea entbrannt. Aber die Angebetete starb bereits in jungen Jahren.«
    Pierre lief ein Schauer des Gruselns über den Rücken.
    Mit leiser Stimme fuhr sie fort. »In der Nacht nach ihrem Begräbnis schlich sich nun dieser verruchte Liebhaber auf den Friedhof, grub ihre Leiche aus ... und schändete sie.«
    Pierres Mund wurde trocken, der Gestank war schon lange vergessen.
    »Da hörte er plötzlich eine Stimme, die zu ihm sprach: › Kehr in neun Monaten zurück und du wirst einen Sohn vorfinden.‹ Und tatsächlich! Als dieser Verruchte zum angegebenen Tage das Grab abermals öffnete, fand er einen Kopf auf den Oberschenkelknochen des Skeletts. Und wieder ertönte diese unbekannte Stimme: ›Hüte den Kopf wohl, denn er ist der Spender alles Guten.‹ Der Herr von Sidon, dieser abscheuliche Tempelritter, nahm ihn mit sich ... und wann immer er seine Feinde vernichten wollte ... so brauchte er ihnen

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