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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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Stiel der furchteinflößenden Hacke zog sich, wie bei einem Schraubstock, immer weiter zu, als er vor dem Altar stehenblieb und seinen Blick – wie ein Richter und Henker in einer Person – über die Figuren schweifen ließ. Schuldig oder nicht schuldig? Ab heute entscheide ich, wie es in dieser Kirche weitergeht ... und wer rausfliegt!
    Maria Magdalena lächelte ihn liebreizend an. Ihre Statue war das warme Herz dieser eiskalten Mauern. Eine betörendere Darstellung von ihr hatte er nie vor Augen gehabt. Maria und Josef, die in luftiger Höhe auf kleinen Simsen an der Wand hinter dem Altar schwebten, waren zwar weit weniger auffällig – abgesehen von diesen zwei Jesuskindern –, aber auch sie fügten sich bescheidenin den Innenraum seiner neuen Kirche ein. Er hätte keine Hemmungen gehabt, sie mit der Hacke vom Sockel zu holen, wenn der Alte ihnen Hörner angeklebt hätte ... Es war an der Zeit, hier aufzuräumen!
    Bedächtig trat er hinter den Altar und lehnte sein stählernes Instrument an eine Wand. Er hob seinen Blick und ließ ihn langsam durch den Kirchenraum schweifen, Bank für Bank. Ja, das ist ein Anfang! Sorgsam, fast liebevoll, strich er die Decke auf dem Altarstein glatt und rückte die beiden goldenen Kerzenleuchter zurecht, als ihm wieder eine Schwade dieses faulen Geruchs um die Nase strich.
    Er holte tief Luft, griff sich dann entschlossen den Stiel seines Richtschwertes, überlegte einen Moment und betrat, während er ständig nach der möglichen Quelle des Gestanks schnüffelte, den kleinen, kahlen Nebenraum mit dem alten, hölzernen Schrank. Nachdem das Phantom am Ende der Treibjagd im Keller der Villa durch eine verborgene Tür in der Wand verschwunden war ...
    Rums! Der lange Stahl durchbohrte mühelos die hölzerne Rückwand des alten, von Würmern, zerfressenen Schranks. Er hatte sich gerade noch die Zeit genommen, die zwei uralten Meßgewänder zur Seite zu schieben, die schon seit Jahren dort gehangen haben mußten. Rums! Das Holz zersplitterte unter seinen wuchtigen Schlägen. Genau in diesem Schrank hatte sich der alte Hund von Marie doch so seltsam benommen, als sie dem deutlich vernehmbaren Getrampel einer Person bis in diesen Raum hinein gefolgt waren. Bei seinem zweiten Hieb entfuhr dem faustgroßen Loch eine gewaltige Schwade des fauligen Gestanks, der wie ein Flaschengeist auf seine Befreiung gewartet haben mußte. Pierre riß den Arm hoch und versuchte seine Nase mit dem Ärmel zu schützen. Angewidert wandte er sich ab.
    »Was machen Sie denn hier, Herr Pfarrer?« Marie hielt sich die Hand vor Mund und Nase. »Warum stinkt es denn hier so schlimm?« rief sie entsetzt und wich zurück in den Kirchenraum, den Besen in der Hand. »Der Muff war doch schon fast abgezogen«, schimpfte sie. »Für die Taufe in der nächsten Woche hätte es doch gereicht. Was haben Sie jetzt schon wieder angestellt ... mit Ihrem Ding da?«
    Auch Pierre brachte sich vor den ausströmenden Schwaden erst einmal im Kirchenraum in Sicherheit.
    »Hier«, meckerte Marie weiter, »ich hab’ extra das Fläschchen Lavendelextrakt mitgebracht, das auf dem Küchentisch stand. Damit hätten wir für die Tauffeier den letzten Geruch auch noch wegbekommen! Aber jetzt? Was haben Sie nur getan?«
    »So wie es aussieht ...«, Pierre nahm ihr das kleine Fläschchen aus der Hand, das ihm Severin geschenkt hatte, als Entschuldigung dafür, daß seine Ziegen ihm die Blumen am Pfarrhaus abgefressen hatten, »... so wie es aussieht ...«, wiederholte er und schnüffelte vorsichtig mit der Nase in die Luft. »... haben wir endlich die Quelle gefunden, von der dieser undefinierbare Gestank ausgeht. Der Hund hatte recht. Hier hinter dem Schrank ist eine Geheimtür!«
    »Geheimtür?« frohlockte Marie und vergaß augenblicklich, daß sie eigentlich hier war, um die Kirche zu fegen.
    »Ja, genau wie im Keller der Villa!«
    »Welche Geheimtür? Davon weiß ich ja noch gar nichts!« entrüstete sie sich.
    »Sie sind doch schließlich hier, um da hinten sauberzumachen, oder?« er deutete mit dem Kopf in Richtung des Schutts der Statue.
    »Habe ich Sie nicht vor dem Ertrinken gerettet?« Resolut verfrachtete sie ihren Besen in eine Ecke und drohte ihm mit dem Finger. »Haben Sie mir nicht danach versprochen, daß wir die Dinge hier gemeinsam untersuchen würden?« fauchte sie.
    »Also bitte ...« Pierre gab entnervt auf. Es hatte überhaupt keinen Sinn sich mit dieser Person zu streiten. Er deutete auf das Loch in der Rückwand

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