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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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Wahnvorstellungen Gestalt zu geben? Langsam sah er sich um. Sollte das alles hier nur das Produkt eines kranken Gehirns sein, das seine verschrobenen Ideen zu einer neuen Wahrheit erheben wollte? Eine großangelegte Täuschung ...
    Er dachte nach.
    Aber was wäre ... wenn nicht?

12
    Drei Uhr! Nimmt diese verdammte Nacht denn nie ein Ende?
    Seit Stunden wälzte er sich jetzt schon in seinem Bett hin und her. Bilder, Gesichter, Jesus, sein Zwillingsbruder, das Verlies ... es war einfach zu viel für einen Menschen. Seine Gedanken wirbelten herum, wie die Blätter in einem Orkan, der gerade in seinem Kopf tobte.
    Pierre hatte Marie heute früher nach Hause geschickt, er fühle sich nicht besonders und wolle sich erst einmal ausschlafen. Aber in Wirklichkeit mußte er allein sein und über alles nachdenken. Sie wußte nichts von dem, was seine Seele so quälte und in Aufruhr versetzte.
    Hätte er ihr einfach die Wahrheit sagen sollen? Ach, übrigens, Marie, so wie es aussieht, habe ich heute herausgefunden, daß Jesus einen Zwillingsbruder hatte. Den einen haben sie gekreuzigt ... aber dafür hat der andere wahrscheinlich glücklich bis an sein Ende gelebt! Die Sache mit der Auferstehung und der Himmelfahrt ist vermutlich auch anders, als es in der Bibel steht. Alles, woran wir glauben ... die Erlösung ... die Unsterblichkeit der Seele ... alles, was uns die Kirche seit Jahrhunderten immer wieder vorgebetet hat, ist eine erfundene Geschichte ... nur um die Menschen am Gängelband zu führen. Vergessen Sie alles! Die Kirche hat diese Lügengeschichten nur deshalb aufrecht erhalten, weil sie die Zügellosigkeit und die Raubtiernatur der Menschen fürchtete. Hätte man der Verrohung der Massen nicht diese friedfertige Lichtgestalt eines erfundenen Gottessohnes entgegengestellt ... und ihn ständig als moralischen Zeigefinger mißbraucht, um eben diesen Pöbel auf der Erde in Schach zu halten ... so hätten die Raubtiere unter den Menschen sich die Welt untertan gemacht. Und früher oder später – und das ist der eigentliche springende Punkt – hätte eben dieser Pöbel, der sich vor nichts fürchtete, die anmaßenden Pfaffen – samt ihres Papstes – aus ihren Plüschsesseln und Palästen getrieben. Sie sehen ... die Kirche hat diesen Jesus also nur deshalb erfunden, um die primitiven Menschenmassen in Schach ... und sie sich damit vom Leib zu halten.
    Bewegungslos lag er auf dem Rücken und starrte an die Decke. Solch einen Irrsinn kannst du doch nicht allen Ernstes glauben? Nein?
    Stöhnend setzte er sich auf und entzündete die hübsche Petroleumlampe neben seinem Bett. Aber war es nicht genau das, was er heute herausgefunden hatte? Was war denn die Konsequenz, wenn diese alten Gemälde wirklich recht hatten? Diese Maler lebten doch schon vor über vierhundert Jahren ... Gab es denn wirklich irgendwo dieses Gerücht von den zwei Jesuskindern ... und die Kirche hatte es seit Jahrhunderten erfolgreich unterdrückt? Hatte sie alle Bücher und Schriften auf den Scheiterhaufen verbrannt und gleichzeitig auch die Menschen, die diese frevelhafte Wahrheit verbreiteten? Hatte sie vielleicht dabei aber eine ganze Reihe dieser stummen Boten übersehen, die die Kunde der verbotenen Wahrheit ganz leise durch die Jahrhunderte retteten: die Bilder?
    Sie hängen doch genau vor der Nase der Menschen ... warum erkennen sie denn nicht, welche Botschaft in ihnen steckt? Aber wie sollen sie denn auch? Sie wissen einfach nicht, daß sich vor ihren Augen eine ... ungeheuerliche Wahrheit zu offenbaren versucht. Kein gläubiger Mensch würde es wagen, selbst wenn er Beweise dafür hätte, daß mit seinem Glauben etwas nicht stimmte, diesen Zweifeln so weit nachzugehen.
    Und dabei ... Pierre dachte an den Schlüssel und die auf den Lumpen gekritzelte Botschaft, die sie in der Statue gefunden hatten ... ist der Zweifel doch der Anfang der Weisheit. Dubium sapientiae initium!
    Er erhob sich von seinem Bett, zog sich seine Hose an und griff sich die aus feinem Porzellan gefertigte Lampe mit ihrem gläsernen Schirm. Barfuß und mit unbekleidetem Oberkörper trottete er langsam die Treppe hinunter ins Erdgeschoß. Diese Sommerhitze war einfach fürchterlich.
    Als Priester dürfte ich über all dieses Zeug eigentlich überhaupt nicht nachdenken!
    Er bog in die Küche ab und stellte seine Lampe auf den Tisch. Aber wie sollte er diese Dinge denn je wieder aus seinem Kopf kriegen ... jetzt, wo sie erst einmal da drinnen waren? Es war doch

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