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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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diese Jahre ... nicht zurückholen. Sie sind weg! Diese Schweine haben sie mir gestohlen.
    Langsam ließ er sich vornüber auf den Tisch sacken und verbarg sein Gesicht müde zwischen den verschränkten Armen. Das Hämmern in seinem Schädel hatte nachgelassen und war einem seltsamen Gefühl des Schwebens und der Erleichterung gewichen.Das mußte wohl die Wirkung des Alkohols sein. Er atmete noch einige Male tief und schwer, bis ihn der erlösende Schlaf endlich gnädig in sein Reich entführte.
    »Hallo, Abbé?«
    Etwas rüttelte ihn am Arm. Pierre lag immer noch mit seinem Kopf auf dem Küchentisch des Pfarrhauses.
    »Ist mit Ihnen alles in Ordnung?«
    Er öffnete die Augen und hob langsam den Kopf. »Au!« Brummend griff er sich in den Nacken, der sich anfühlte, als hätte ihn gerade ein Preisringer in die Mangel genommen.
    »Morgen, Marie«, verschlafen blinzelte er aus dem Fenster. Es war doch tatsächlich schon hell.
    »Was um Himmels willen haben Sie denn mit meiner Küche gemacht?« Entsetzt eilte sie zur Wand hinüber, an der das halbvolle Weinglas eingeschlagen hatte. »Und überall diese Glassplitter!«
    Er nahm ihr Gemecker noch gar nicht wahr und sah immer noch aus dem Fenster. Oh! Dieser gottverdammte Nacken! Verschlafen massierte er sich die schmerzende Stelle.
    Marie wischte mit ihrer Hand über die Rotweinflecken an der Wand und sah irritiert zu ihm herüber. »Sind Sie jetzt unter die Wilden gegangen, oder warum ...?« Die letzten Worte blieben ihr vor lauter Peinlichkeit im Halse stecken.
    Mürrisch sah er an sich herunter. »Sie meinen wohl, warum ich halb nackt am Küchentisch sitze?«
    Marie errötete und putzte emsig an der Rotweinstelle an der Wand herum, ohne zu ihm hinüberzusehen.
    Pierre erhob sich schnaufend und fuhr sich gähnend durch die Haare. »Ich weiß gar nicht, was Sie wollen ...«, er schloß den Knopf an seiner Hose, dem einzigen Kleidungsstück, das er trug, »... ich bin doch sittsam bekleidet.«
    Marie schrubbte vor Aufregung fast die Farbe von der Wand und schielte nur kurz zu ihm herüber. Ihre Wangen glühten. »Abbé, ich kenne Sie nicht wieder!« zischte sie, während er sich zur Wasserpumpe hinübermühte und seinen Kopf unter den eiskalten Strahl hielt. Das Wasser rann bei jeder Pumpbewegung über seinen Nacken und dann an seinem nackten Oberkörper hinunter auf den Fußboden ... und überschwemmte schließlich die Küche.
    »Was soll denn das werden?« protestierte Marie lautstark, als sie endlich die Scheu vor ihrem nur halbbekleideten Dienstherren verloren hatte. »Und wer macht das alles wieder weg?« schimpfte sie, während sie sich das seltsame Schauspiel – mit vor der Brust verschränkten Armen – aus sicherer Entfernung ansah.
    Pierre hörte auf zu pumpen, zog seinen Kopf aus dem eisigen Wasserschwall und richtete sich auf. Er fuhr sich schnaufend durch die triefenden Haare und ging schließlich langsam – wie ein gereizter Bär auf seinen Hinterläufen – auf sie zu. Das Wasser rann ihm immer noch in Strömen über seinen nackten Oberkörper. Marie errötete bei jedem Schritt, den er näherkam, ein bißchen mehr und wußte offensichtlich nicht, wohin sie in dieser unschicklichen Situation ihren Blick richten sollte.
    »Warum sind Sie schon hier?« brummte er mißmutig.
    »Ich ... ich ...«, sie fuchtelte hilflos mit ihren Händen, »muß Sie noch wegen der Taufe morgen sprechen.«
    »Sagen Sie den Quatsch ab!« Gereizt sah er ihr kurz in die Augen und drehte sich dann um, um die Küche zu verlassen.
    »Das geht aber nicht!« erwiderte sie vorsichtig, um ihn nicht noch mehr zu reizen.
    »Ich habe gesagt ... Sie sollen dieses Theater absagen!« knurrte er gefährlich zurück, ohne sich umzusehen.
    »Aber die Leute haben sich doch schon so lange darauf gefreut, weil ...« Sie hielt augenblicklich inne, als er sich umdrehte, wortlos wieder auf sie zuschritt und sich in voller Größe vor ihr aufbaute.
    »Die Taufe fällt aus!« sagte er bestimmt und sah ihr drohend in die Augen. »Morgen reise ich ab!«
    Marie wankte zurück und mußte an einer Ecke des Tisches nach Halt suchen. »Aber ...«, sie rang nach Luft, »... Sie können doch nicht einfach weggehen!« Ihre Hand krampfte sich an der Tischkante fest. »Sie sind doch unser Pfarrer!«
    »Sie kriegen einen neuen!« antwortete er mit fester Stimme, drehte sich um und ging auf die Tür zu.
    »Und Ihr Bischof? Dürfen Sie denn einfach ...?« rief sie ihm aufgeregt hinterher.
    »Der kann mich mal!« brummte

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