Seelenbrand (German Edition)
Priester nennen ihn alle nur noch Pater Gladius, das Schwert Gottes! Dieser üble Kerl tritt immer dann auf den Plan – auf Geheiß des Bischofs –, wenn ein Pfarrer mit seiner Pfarrei nicht zurecht kommt.
Marie schluckte. »Aber ... dann ist das ja genau der Kerl, vor dem du mich schon gewarnt hast!«
»Oh, ja!« Ihm war gar nicht wohl in seiner Haut. »Heute gibt es zwar keine Scheiterhaufen mehr, keine Hexenverfolgungen ... heute bedient sich unser Pater Zacharias – gezwungenermaßen – zivilisierter Formen der ... sagen wir mal ... religiösen Erziehung. Seine Vorgehensweise ist immer dieselbe, und die ist überall berüchtigt. Sogar der Bischof würde es vorziehen, ihm aus dem Weg zu gehen!«
Die Straße führte in endlosen Kurven nach oben.
»Zuerst nimmt er sich den Pfarrer vor. Immer nach dem Motto: wie kannst du es vor Gott verantworten, die Schafe deiner Herde dem Teufel zu überlassen?« Pierre stöhnte. »Und wenn er mit unsereins fertig ist, dann kommt ihr dran!« Er verdrehte die Augen und sah Marie von der Seite an. »Ihr Kinder des Teufels!«
»Aber dein Bischof wußte doch, wie die Dinge hier in Renneslagen, als er dich zu uns geschickt hat. Da kann er doch jetzt nicht schon diesen ... Kerl schicken, so, als ob du unfähig wärest!«
Als sie um die nächste Kurve bogen, konnten sie die ersten Häuser des Dorfes sehen.
»Tja, das verstehe ich auch nicht.« Pierre schüttelte den Kopf. »Der Bischof hat mir ausdrücklich versichert, daß er gegen einen Besuch von diesem Zacharias in Rennes wäre, um die Gläubigen hier nicht noch mehr in ihrem Wahn zu bestärken, daß in ihrem Dorf der Teufel umginge.«
In Sichtweite des Dorfrandes blieben sie stehen und verschnauften einen Augenblick.
»Soll ich dir mal seinen Lieblingsspruch verraten?« Marie nickte zaghaft. »Habt keine Angst vor dem Teufel! Habt Angst vor einem Exorzisten wie mir!«
Sie schwiegen.
»Ich glaube fast«, sagte Pierre, als sie schließlich auf die Dorfstraße einbogen, »daß mich jemand beim Bischof angeschwärzt hat.«
»Guck mal! Was ist denn das für ein Menschenauflauf ... dort an der Pension meiner Tante?«
Als sie näher kamen, konnten sie das Gemurmel und aufgeregte Geschnatter der Menschentraube schon hören. »Da kommt er ja!« rief eine Frauenstimme, bevor es schlagartig still wurde. Die vielen Menschen drehten sich zu Marie und Pierre um und sahen ihnen schweigend entgegen. Wie von einer unsichtbaren Hand geführt, traten sie langsam zur Seite und öffneten wortlos einen Korridor, an dessen anderem Ende Pierre schon von weitem das schwarze Automobil stehen sah. Der Weg durch die schweigende Menge zog sich hin wie eine Ewigkeit. Schritt für Schritt quälten sie sich an den neugierigen Leuten vorbei, die sie zum Teil schweigend begafften, zum Teil aber auch mit einer Woge von Getuschel überschütteten.
So verdreckt und zerzaust wie wir aussehen, kann ich es ihnen noch nicht einmal verübeln. Schöner Mist!
Es war wie der Gang zum Schafott, an dessen Ende Pater Zacharias, als Henker, mit seiner Axt wartete.
Aber ... wenn er es sich einmal recht überlegte ... wovor hatte er denn eigentlich noch Angst? Hatte er nicht gerade noch vollmundigverkündet – als das Automobil vor ihnen gehalten hatte – er hätte mit diesen Kerlen nichts mehr gemeinsam? Keinen Gott ... der ihn länger an die Kirche fesselte? Damit war er doch eigentlich ein ... ja! ... ein freier Mann! Also: worüber machte er sich dann überhaupt noch Gedanken? Im schlimmsten Fall würden sie ihn suspendieren. Sollen sie doch!
Am Ende dieses Korridors sah er außerdem diesen Rodrigues stehen, der ihn schon mit gekreuzten Armen und blitzenden Augen erwartete. »So schnell sieht man sich wieder!« zischte dieser gelackte Teufel leise, als Pierre so dicht an ihm vorbeiging, daß sie sich berührten. Pierre blieb einen Augenblick stehen und sah ihm wortlos in die Augen. Wenn Blicke töten könnten ... Wir rechnen später ab ... aber nicht vor den Leuten!
»Ich nehme an, daß Sie eine Erklärung für Ihr skandalöses Erscheinungsbild haben, Abbé du Lac?«
Die eisige, schneidende Stimme hätte ihn unter anderen Umständen entsetzt herumfahren lassen, aber er hatte sich vorgenommen sich vor dieser neugierigen Meute keine Blöße zu geben. Deshalb wandte er sich bewußt langsam der Richtung zu, aus der dieser Hieb gekommen war. Und tatsächlich, da stand er! Eigentlich hatte er nur einmal ein Photo von diesem Zacharias gesehen ... aber diesen
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