Seelenbrand (German Edition)
mit derselben frostigen Stimme, wobei er seine große Hakennase leicht in die Höhe hielt und versuchte, seinen Gegenüber mit dem stählernen Blick aus seinen blauen Augen regelrecht zu erdolchen.
»Ich bin über Ihren Vorgänger und seine Verfehlungen informiert!« Kerzengerade stand dieses Relikt aus einer anderen Zeit vor ihm, sein Gewand perfekt in Falten gelegt. »Dieser Bérenger Saunière ist viel zu lange mit der Nachsichtigkeit der Kirche verwöhnt worden, und sehen Sie ...«, er deutete auf die nun maulend abziehende Männermeute, »... zu welchen Abgründen das bei diesen primitiven Seelen geführt hat. Der Respekt vor der Kirche und ihren Repräsentanten geht verloren!« Er sah Pierre scharf an. »Ihr verkommenes Auftreten macht unsere Aufgabe, die Ordnung in diesem Teufelsnest wiederherzustellen, nicht einfacher!«
Er hätte ihm natürlich von der Explosion berichten können. Aber warum? Was hatte er denn überhaupt noch mit diesem Pater Zacharias und der Kirche zu schaffen?
»Seine Exzellenz der Bischof hat mir davon berichtet, daß der von ihm gesandte Aushilfspfarrer feige desertiert ist ... und daß der tote Pfarrer in Ihrer Pfarrei umgehen soll!« Sein Mund verzog sich zu einem gekrampften Grinsen, so daß Pierre für einen Augenblick seine Haifischzähne sehen konnte. »Man hat mir sogar von der Anwesenheit des leibhaftigen Satans berichtet!«
Der Tumult um das Automobil hatte sich gelegt, und bis auf ein paar tratschende und gaffende Weiber hatte sich die Menschentraube weitgehend aufgelöst.
»Ich kann seine Anwesenheit förmlich spüren.« Wie ein Geier reckte er seinen faltigen Hals und hob den Kopf, so als könne er mit seiner Hakennase das Böse förmlich erschnüffeln. Seine gepflegten, weißen Zähne blitzten wieder, wie das polierte Schneidwerkzeug eines Chirurgen. »Wo auch immer er sich vor mir verstecken mag ...«, seine knorrigen Hände schlossen sich langsam zu einer Faust, so als wolle er etwas zerquetschen, »... ich werde ihn finden und ihm die Seelen der Menschen wieder entreißen, die er an diesem Ort schon gefressen hat!« Seine Augen waren wie bei einem Irrsinnigen weit aufgerissen, und seine Hände zitterten.
Erschrocken machte Pierre einen Schritt zurück. Der Kerl ist ja völlig verrückt! Nach all den Geschichten, die über diesen Pater Zacharias kursierten, war er ja auf einiges gefaßt gewesen, aber dieser Mann vor ihm war schlimmer und beängstigender als alles, was er erwartet hatte. Ein paar Jahrhunderte früher, und am Abend hätten garantiert schon die ersten Scheiterhaufen gebrannt! Er hatte in seinem Leben ja schon einige Irrsinnige in höheren Kirchenämtern gesehen ... übrigens: Wie kam sein Bischof überhaupt zu diesem Rolls-Royce Silver Ghost, samt Fahrer? Aber der Dicke war ja regelrecht harmlos und konnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Ganz im Unterschied zu diesem Wahnsinnigen, der offensichtlich glaubte, er sei immer noch im Namen der Heiligen Inquisition unterwegs und müsse das Böse mit Stumpf und Stiel ausrotten. Es war wirklich erstaunlich, welch verschrobenen Kreaturen die Kirche in diesen modernen Zeiten immer noch Unterschlupf gewährte.
Er blickte über seine Schulter zu Marie herüber, die nur wenige Meter hinter ihm stand und ihren dicken Hund kraulte.
»Ich komme aber nicht nur Ihretwegen!« zerschnitt Zacharias Stimme erneut die Luft.
Pierre wandte sich nur unwillig wieder diesem Irren zu.
»Seine Exzellenz der Bischof hat mir Ihre Pfarrei besonders ans Herz gelegt, weil Ihr Onkel, der Bischof von Limoges, ihn mehrfach darum gebeten hat.«
Klar ... hätte ich mir doch denken können, daß mein Onkel schon wieder dahintersteckt!
Maries dicker Hund war herübergekommen und stellte sich schwanzwedelnd neben Pierre.
»Ich habe den Auftrag ...«, fuhr der alte Geier fort und beäugte dabei angewidert das schwarze Tier neben Pierre, »... den Sommer dafür zu nutzen, die Gemeinden der Region zu besuchen und ihren Priestern und Gläubigen die Grüße und die väterliche Hilfe ihres Bischofs zukommen zu lassen.«
Der Hund war währenddessen zum Automobil herübergetrottet und schnüffelte – wie Pierre aus seinem Augenwinkel sah – aufgeregt an dessen hinterem Rad. Der wird doch nicht etwa ...? dachte er gerade noch, als das Tier tatsächlich sein Bein hob und das Juwel benäßte.
Noch bevor er sich so recht darüber freuen konnte, daß dieser widerliche Pater auch die anderen Gemeinden heimsuchte, hatte Rodrigues plötzlich den
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