Seelenbrand (German Edition)
führt!
Der Alte war offensichtlich erstaunt, griff dann aber zu, und seine Haifischzähne blitzten bei seinem Lächeln. »Zucht und Ordnung sind die wichtigsten Säulen unserer Gesellschaft«, sagte er in dem wohl versöhnlichsten Ton, den Pierre bis jetzt von diesem Mann gehört hatte. »Und wie ich sehe, sind Sie ein Mensch, der es versteht, diesen heiligen Prinzipien Geltung zu verschaffen!«
Was? Ich hör’ wohl schlecht! Also, das gibt’s doch gar nicht! Er hielt sich beide Hände vors Gesicht, unbemerkt von dem Alten,da er nun in dessen Rücken stand. Ich sterbe hier tausend Tode und muß mich wie ein Schuljunge für meine dreckigen Sachen vor allen Leuten maßregeln lassen ... und sie ... sie verprügelt einen Mönch und dafür schüttelt ihr das schlimmste Ungeheuer unserer Kirche, der Schrecken aller Pfarrer, auch noch die Hand? Ich glaub’ es nicht! Meine Nerven! Und wir haben immer noch keinen neuen Cognac!
»Wohin soll Louis unsere Koffer bringen?« Der Alte wandte sich wieder an Pierre und deutete auf den Fahrer, der verlegen lächelte.
»Da wir für Ihr Unterkommen noch keine Vorbereitungen treffen konnten ...« Jetzt war guter Rat teuer, denn im Pfarrhaus wollte er sie auf keinen Fall haben.
»Tante Pauline hat noch zwei freie Zimmer«, mischte sich Marie ein. »Direkt hier am Pfarrhaus, vielleicht ...?«
Pater Zacharias hob seine Hakennase, blickte zur Pension hinüber und nickte. »Ich glaube eine einfache Unterkunft wird genügen. Ist denn nicht auch schon unser Herr in einem Stall geboren?«
Der hatte aber keinen Rolls-Royce Silver Ghost mit Fahrer!
»Und Louis?« fragte der Hakennasige schon fast fürsorglich.
»Wenn es ihm recht ist ...«, Marie sah zu dem leicht dicklichen Mann herüber, der verlegen mit seiner Lederkappe spielte, »... könnte er über der Schenke dort am Ende der Straße ein Zimmer beziehen.«
Beim Wort Schenke erhellte sich das Gesicht des Fahrers sofort, und ein eifriges Nicken klärte auch die Frage seines Verbleibs. Am liebsten wäre Pierre ja an dessen Stelle dort hinten eingezogen, weit weg von all den anstehenden Unannehmlichkeiten, die er jetzt schon riechen konnte.
»Rodrigues?« peitschte Pater Zacharias scharf heraus. Der Gerufene eilte heran und erwartete die Befehle seines Herrn, aber nicht ohne Pierre – und besonders Marie – mit seinen mordlüsternen und nach Rache dürstenden Augen zu erdolchen. »Helfen Sie Louis mit dem Gepäck!« An Pierre gewandt fügte er erklärend hinzu. »Der gute Louis ist, genau wie dieses fabulöse Automobil, eine großzügige Leihgabe Seiner Exzellenz des Bischofs, und da wollen wir ihn doch nicht stärker beanspruchen als nötig.«
Der Fahrer, der sich bereits an den Koffern zu schaffen machte, lächelte wortlos und nickte eifrig. Bislang hatte er noch keinen einzigen Ton von sich gegeben. Aber die Vorstellung, daß der arme Kerl den ganzen Tag neben diesem Rodrigues im Automobil sitzen mußte, entschuldigte wohl so manches. Da die größte Gefahr, daß dieser Zacharias im Pfarrhaus einziehen würde, nun Gott sei Dank vorüber war, löste sich allmählich auch Pierres schlimmste Anspannung.
»Wir hätten Sie auch in der alten Villa untergebracht«, er deutete schräg über die Straße, »aber ein Feuer hat den Dachstuhl unglücklicherweise völlig zerstört. Die Handwerker werden das Gebäude morgen notdürftig gegen den Regen abdichten.«
»Ja, ja«, nickte der Alte und beäugte intensiv jeden Stein des Gemäuers auf der anderen Straßenseite. »Ich habe schon davon gehört«, murmelte er. »Zwei Brände in kurzer Zeit. Das ist wahrlich seltsam!« Er zurrte resolut den Gürtel seiner Kutte zurecht. »Aber jetzt bin ich da und versichere Ihnen, daß sie in diesem Dorf – von nun an – alle wieder in Frieden schlafen werden!«
Pierre hatte ein mulmiges Gefühl, denn für ihn war das eine unverhohlene Drohung. »Das Automobil können Sie dort im Pfarrhof abstellen. Dort ist der Besitz unseres Bischofs garantiert in Sicherheit.« Und ich kann mir dieses Juwel endlich mal in Ruhe aus der Nähe ansehen, wenn ihr alle weg seid! Wenn man dieser elenden Situation noch etwas Gutes abgewinnen konnte, dann war es doch einzig und allein die Anwesenheit dieses sagenumwobenen Gefährts auf seinem Hof. Woher der Bischof allerdings das Geld für dieses Vehikel hatte, blieb ihm ein Rätsel. Wenn er einmal reich würde, dann ... dieser Motor brummt einfach göttlich!
Plötzlich wurde es ruhig um ihn. Marie war mit den neuen
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