Seelenbrand (German Edition)
einige kamen herüber und klopften Marie vorsichtig und sittsam an den Arm. »Diesem verdammten Rodrigues hast du es aber gegeben! Bravo!«
»Wir sind stolz auf dich!« rief ein alter Mann mit Krückstockund umarmte sie stürmisch. »Unsere Marie hat sich nicht geändert!« lachte er. »Weißt du noch ... das Sommerfest, an dem du diesem Kerl ein blaues Auge gehauen hast?«
»Auguste!« Marie wurde rot und schubste den Alten leicht nach hinten. »Mußt du diese alte Sache immer wieder aufwärmen?«
»Wieso?« Er deutete auf die umstehenden Männer. »Einige von uns wären froh, wenn sie deinen Schneid gehabt und diesem arroganten Pfaffen einen drübergehauen hätten! Weiß der Himmel, von wem du dieses Temperament geerbt hast?«
Der ganze Schankraum wackelte unter dem Gejohle und Geklatsche der Menge. Während sich Pierre noch darüber wunderte, welch familiärer Umgangston hier herrschte, und wie herzlich seine Haushälterin in dieser Räuberhöhle von den Anwesenden empfangen wurde – so als würde sie hier allabendlich verkehren –, ergriff sie selbstbewußt das Wort.
»Ich danke euch ... aber ich habe euch heute hohen Besuch mitgebracht!« Sie deutete auf Pierre. »Unseren neuen Pfarrer!«
Alle Augenpaare richteten sich auf ihn. Er fühlte sich von ihrer Aktion überrumpelt, sie war nicht abgesprochen. Eigentlich wollte er doch nur eine Flasche Roten für die Taufe morgen mitnehmen und ohne größeren Aufruhr wieder verschwinden. Der Pfarrer im Wirtshaus ... in diesen verdreckten Bauernklamotten ... und das alles während dieser Zacharias im Dorf war! Er wollte sein Glück nicht zu sehr strapazieren ...
Die Männer nickten ihm freundlich zu oder prosteten mit ihren Gläsern herüber. Pierre hatte sich wieder gefangen und schluckte. »Es wäre schön, wenn meine Kirche am Sonntag genauso voll wäre, wie die Wirtschaft!« Daß seine Ansprache keinen Jubelsturm entfachen würde, hatte er sich schon gedacht, aber Marie hatte ihn ungewollt wieder in seine Pfarrersrolle gedrängt, auch wenn er gar keine Lust mehr dazu hatte.
Eine volle Kirche wäre bestimmt der beste Weg, um diesen Pater Zacharias und seinen Gehilfen auf dem schnellsten Wege wieder loszuwerden. Früher oder später würden sie bestimmt auf die Löcher im Friedhof stoßen oder den begrabenen Aushilfspfarrer. Auf jeden Fall würde ihre Anwesenheit seine Nachforschungen behindern.
Die meisten Gesichter in der Schankstube hatte er noch nie gesehen. Fast so, als hätten sich die Männer die ganze Zeit vorihm versteckt, denn so groß war das Dorf nicht. Hin und wieder wäre man sich doch zwangsläufig auf der Straße begegnet. Die Anwesenden schwiegen und sahen sich betreten an. Die Jubelstimmung war verschwunden.
»Es wäre doch ein Anfang ...«, griff Marie ein, so als würde sie an diesem Ort häufiger das Wort führen, »... wenn ihr morgen zur Taufe von Bernardette kommt! Als Gegenleistung für diesen Rodrigues!«
Sofort erhob sich an jedem Tisch und in jeder Ecke ein dumpfes Gemurmel.
»Was meinst du dazu, Henri?« rief eine Männerstimme.
Der Angesprochene, auf den sich nun alle Blicke richteten, zog bedächtig an seiner Pfeife und schob mit gähnender Langsamkeit seine Mütze in den Nacken. »Ja, also ...«, kam es quälend lahm aus dem unrasierten Kerl heraus, der mit schläfrigem Blick sein Glas betrachtete, »... mir persönlich ... ist es ja irgendwie völlig egal, ob ihr morgen zur Taufe kommt ... oder nicht.« Nachdenklich strich er sich über seine stoppeligen Wangen. »Aber ... so wie ich meine Frau kenne, würde die sich schon freuen, wenn noch andere Leute kämen. Je mehr, desto besser.« Er sah zu seinen Trinkkumpanen hoch. »Ihr kennt die Weiber ja!« Zustimmendes Gelächter aus allen Kehlen.
Im tiefsten Inneren war es Pierre zwar peinlich, daß er in seiner eigenen Gemeinde auf die Fürsprache Maries angewiesen war, aber sie hatte ihm wohl gerade – innerhalb weniger Minuten – die Kirche bis zum letzten Platz gefüllt. Dafür hätte er wahrscheinlich Wochen gebraucht.
»Und vergeßt eure Frauen nicht!« rief Marie noch einmal in die Runde, bevor alles wieder in diesem typischen Kneipengemurmel und Gelächter unterging, und der Wirt lautstark neue Bestellungen entgegennahm. Sie sah Pierre an, der nur zufrieden zurücklächeln konnte.
Teufelsweib! Noch nie hatte er eine solch hübsche Frau erlebt, die eine ganze Herde von Trunkenbolden einfach so in den Sack steckte und dann den ganzen Haufen für den nächsten Tag
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