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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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Gästen in der Pension verschwunden, und die Menschen, die sich um das Automobil versammelt hatten, waren, bis auf ein paar Frauen, die in einiger Entfernung immer noch emsig tratschten, wieder in ihren Häusern verschwunden. Die Männer, die Rodrigues wie einen Haufen Schweine auseinandergetrieben hatte – nur weil sie sich dem bischöflichen Gefährt zu sehr genähert hatten –, waren schon längst unter wildem Gefluche und unchristlichen Verwünschungen abgezogen. Während sie grollend das Weite gesucht hatten, war so manch drohende Faust in der Luft zu sehen gewesen ...
    Gut, daß ich nicht in der Haut von diesem Rodrigues stecke! Seine Kutte wird ihm bei dieser aufgebrachten Meute nur wenig nutzen. Aber was kümmert es mich?
    Seine Finger fuhren über den spiegelblankpolierten Kühlergrill mit seinem berühmten RR-Monogramm. Dieser Louis hatte nach ihrer Ankunft den gröbsten Staub wohl schon wieder entfernt und dieses funkelnde Juwel frisch auf Hochglanz gebracht. Er konnte es nicht glauben. Vor ihm stand doch tatsächlich ein 1912er Rolls-Royce Silver Ghost, Modell Landaulet. Ein Traum! Seine Fingerspitzen betasteten ehrfurchtsvoll die zarte – und nahezu unbekleidete – geflügelte Frauenfigur auf dem Kühler. The Spirit of Ecstacy! Wer kannte sie nicht? Sie war als Erkennungszeichen unter seinen automobilbegeisterten Freunden bekannter als die Freiheitsstatue von New York. Aber wohl kaum jemand von ihnen hatte bislang die Gelegenheit gehabt, seine Finger eigenhändig über diese geflügelte Elfe gleiten zu lassen. Er mußte unwillkürlich lachen, als er sich vorstellte, daß sich dieser ausgesprochen schlanke und ansehnliche Geist der Ekstase ausgerechnet in der Hand seines dicken Bischofs befand, der sich – wahrscheinlich mit seiner Plätzchenschatulle auf dem Schoß – von Louis durch die Gegend fahren ließ.
    »Könnten Sie mir sagen, wo ich den Wagen genau abstellen soll?« Der dickliche Fahrer war wieder da und riß Pierre aus seinen Träumen.
    »Am besten hier durchs Tor bis vors Pfarrhaus. Da steht er sicher!«
    Louis kam zu ihm herüber und streckte ihm freundlich seine Hand entgegen. »Wir hatten noch gar keine Gelegenheit ...«
    »Sie sind ein echter Glückspilz!« Pierre deutete auf das Automobil. »Den ganzen Tag mit dieser Maschine herumzufahren ... das muß doch wirklich phantastisch sein!«
    Der Fahrer mit seinen vollen, geröteten Wangen und dem schütteren Haar sah sich um. »Wenn Sie möchten, können wir gerne tauschen«, flüsterte er. »Oder glauben Sie, es macht mir Spaß, den ganzen Tag neben diesem wahnsinnigen Rodrigues zu sitzen?« Er legte seinen kleinen Wurstfinger auf die Lippen und fuhr leise fort. »Dagegen ist unser Bischof ein wirklich gemütlicher Mensch. Ich weiß zwar nicht, warum er sich diesen schnellen Wagen zugelegt hat ...«
    »111 Kilometer Spitze, nicht?« fragte Pierre eifrig dazwischen.
    Louis nickte. »Aber ... wenn er hinten drin sitzt ... darf ich nie schneller als Schrittgeschwindigkeit fahren, sonst wird ihm übel, und er verliert seinen Appetit ... und dann ist es mit seiner guten Laune vorbei!«
    Sie lachten und Marie, die hinzugekommen war, sah – mit langem Hals – respektvoll in das Innere des hinteren Abteils.
    »Wenn Sie möchten, steigen Sie ruhig ein! Ich fahre gleich bis vors Pfarrhaus!«
    Marie zuckte. »Was ich? Da herein?«
    »Kriegen Sie da keinen Ärger mit diesem Pater Zacharias?«
    Der Dickliche zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Unser Bischof mag mich ... und die zwei ...«, abfällig nickte er zu Madame Paulines Pension herüber, »... die brauchen mich! Außerdem ... Sie haben es ja gehört ... will man es vermeiden, mich, als das Eigentum des Bischofs, schlecht zu behandeln.« An Marie gewandt fuhr er lachend fort. »Und wie Sie diesem geölten Rodrigues Dampf gemacht haben ... also so etwas hab’ ich ja mein Lebtag noch nicht gesehen. Kirchliche Würdenträger ... und dazu noch in Kutte, scheinen Sie wohl nicht sonderlich zu beeindrucken, was?«
    Marie wurde rot. »Er hat doch den wehrlosen Hund verprügelt!« verteidigte sie sich.
    »Wenn Sie wüßten, was ich als Fahrer des Bischofs täglich mit ansehen muß, dann kämen Sie aus dem Prügeln gar nicht mehr heraus!« Er winkte ab. »Aber lassen wir das!«
    »Warum fahren Sie denn dann überhaupt für unseren Chef?« fragte Pierre und strich über die Wagentür.
    Louis sah ihn an. »Haben Sie schon mal jemanden gesehen, der sich ein solches Schmuckstück leisten

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