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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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Männer fragen, die schon vor fast eintausendfünfhundert Jahren die Fäden gezogen haben ... auf diesem Konzil von Nizäa unter Konstantin dem Großen. Sie haben schon damals entschieden, was ihrer Ansicht nach – und sie hielten sich für furchtbar weise, wie alle alten Männer – sie haben also festgelegt, was für den einfachen Gläubigen der Zukunft geeignet war, und was nicht!«
    »Wann war denn dieses Konzil?« fragte Marie, während sie sich die letzte Träne abtupfte.
    »Ach, schon im Jahre 325.«
    »Kann es sein ...«, sie überlegte, »... daß die Kirche in diesenfrühen Jahren mehr über Jesus wußte als wir, weil ... vielleicht hört sich das ein wenig naiv an ... aber weil sie einfach näher dran war ... an der Zeit, in der Jesus lebte?«
    »Das ist eine schlaue Frage!« Pierre rieb sich bedächtig am Ohr. »Was meinst du, wie oft ich mir als Pfarrer schon die Frage gestellt habe, ob das, was über Jesus in den Evangelien steht, auch wirklich stimmt? Woher wußten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes eigentlich so genau was, und vor allem wie, Jesus etwas gesagt haben soll. Wenn man bedenkt ...«, er spielte gedankenversunken mit der Spitzhacke, die neben ihm lag, »... daß Jesus um das Jahr 30 gekreuzigt worden sein soll ... und das erste Evangelium nach Matthäus etwa aus dem Jahre 80 stammt ... da muß sich jeder klar denkende Mensch doch fragen, ob das, was da drin steht, auch wirklich genau so von Jesus gesagt worden ist?« Er sah Marie an. »Oder sehe ich das falsch?«
    »Du hast recht! Sieh dir nur mal unser Dorf an. Wie schnell hat sich bei den Leuten hier das Gerücht verbreitet, daß der Teufel am hellichten Tag in den Speisekammern erscheint! Der eine hat es dem anderen berichtet, und der hat es weiterverbreitet ... und der letzte will dann sogar noch mit dem Leibhaftigen gesprochen haben!«
    Pierre schnaufte. »Was meinst du ... welche Geschichte am Ende herauskäme, wenn wir in fünfzig Jahren jemanden bitten, alles niederzuschreiben. Irgendwie ...«, er flüsterte in Maries Ohr, »... erinnert mich diese ganze Überlieferung von Jesus und den Evangelien an dieses Kinderspiel › Stille Post ‹ . «
    Marie kicherte. »Ja, das kenn’ ich! Ein Kind flüstert dem anderen einen Satz ins Ohr, und das andere Kind flüstert es seinem Nachbarn ins Ohr und so weiter ...«
    »Kannst du dir vorstellen«, Pierre schmunzelte, »welch unglaublicher Unsinn in nur fünfzig Jahren aus diesem Satz herauskäme. Und Jesus ist seit fast zweitausend Jahren tot ... Und um deine Frage zu beantworten: Nein, die über zweihundert Bischöfe, die auf diesem Konzil zusammengekommen waren und die Heilige Schrift zusammengebastelt haben, wußten damals schon genausowenig über Jesus, wie wir.«
    Sie schwiegen.
    »Aber das Unglaublichste hab’ ich dir noch gar nicht erzählt«, sagte er nach einer Weile. »Ich weiß nicht, welcher Zufall mirimmer wieder diese Bücher in die Hände gespielt hat ... aber ich habe es jetzt schon mehrfach gelesen.«
    Schweigen.
    »Was?« fragte Marie schließlich neugierig.
    »Auf diesem Konzil von Nizäa im Jahre 325 ...«, er sah sie an, »... ich mag es kaum sagen ... wurde über etwas Ungeheuerliches abgestimmt!« Er schüttelte den Kopf. »Vom Schock meiner eher zufälligen Entdeckung ... hab’ ich mich bis heute noch nicht richtig erholt!«
    Gebannt sah sie ihn an.
    Erst nach einer Weile fuhr er fort. »Die Bischöfe haben damals doch allen Ernstes darüber abgestimmt ... ob dieser Jesus in der Kirche fortan ... als sterblicher Prophet ... oder als Gott verehrt werden sollte!« Versunken wischte er sich über den Arm. »Mit 218 Ja-Stimmen ... bei zwei Gegenstimmen ... haben sie Jesus damals zum Gott gemacht! Einfach so! Angeblich sogar per Handzeichen. Man hat also über das Wichtigste, das die Menschen seit Jahrhunderten tief in ihrem Herzen bewegt – für das viele Menschen freiwillig, in festem Glauben, gestorben sind – man hat darüber abgestimmt, wie bei einer Versammlung im Hinterzimmer des Wirtshauses! Verbrämt mit allerlei Pomp und heiligem Getue, das die Menschheit blenden sollte. Die Wahrheit spielte dabei aber überhaupt keine Rolle.«
    »Warum?« fragte Marie nach einer langen Pause.
    »Weil sich ein unsterblicher Gott besser verkaufen ließ ... als ein sterblicher Prophet. Ganz einfach! Und dann kannst du dir auch vorstellen, nach welchen Kriterien man das Neue Testament zusammengestellt hat ... und wie glaubhaft das ist, was da drin steht.«
    Marie war

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