Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
Vom Netzwerk:
Trotzdem will ich dazu schweigen mit Rücksicht auf dich. Jene aber werden ihre Strafe davontragen.‹ Und sofort wurden die, die sich bei Josef über Jesus beschwert hatten ... blind!« Pierre sah Marie an. »Jetzt kannst du dir vielleicht vorstellen, warum nicht alles, was über Jesus geschrieben steht, auch ins Neue Testament aufgenommen ... und lieber vorher aussortiert worden ist.« Er schlug sich den Kragen seines Hemdes hoch. Seine Soutane hatte er nach dieser nervigen Tauffeier sofort wieder in den Schrank geknallt.
    »Aber ich will ehrlich sein ...«, fuhr er nach einer Weile fort, »... dieses Thomasevangelium berichtet nicht nur von diesem grausigen fünfjährigen Kind namens Jesus, sondern auch von seiner Besserung.«
    »Das mußt du mir jetzt aber auch noch erzählen«, bat Marie, »denn etwas so Schockierendes hab’ ich von Jesus ja noch nie gehört!«
    »Ich auch nicht! Aber vergiß nicht, er war – nach Ansicht des Verfassers – ein ganz normales, mehr oder weniger unerzogenes Kind, das erst lernen mußte, mit seinen Fähigkeiten umzugehen.« Pierre strich sich übers Kinn. »Wo mach’ ich denn am besten weiter ... Ah! Mit diesem Schulmeister Zakchäus.« Er setzte sich bequem hin. »Als Jesus nun in die Schule mußte, verging kein Tag, und schon hatte er den Lehrer blamiert. Der Kleine wußte mehr, als der alte Schulmeister in seinem ganzen, langen Leben gelernt hatte. ›Nimm es drum wieder fort, ich bitte dich Bruder Josef!‹ flehte der. ›Ich ertrage den Ernst seines Blickes nicht. Dieses Kind entstammt nicht von der Erde. Welch Mutterleib es getragen, welch Mutterschoß es genährt hat, ich weiß es nicht. Am Ende ist es sogar schon vor der Erschaffung der Welt erzeugt worden.‹«
    »Hat der bösartige kleine Knabe dem Schulmeister jetzt auch noch etwas angetan?« fragte Marie leise.
    »Nein! Er hat laut gelacht und gesagt ... etwa sinngemäß: ›Ich bin erschienen, von oben her, um die, die es verdienen, zu verfluchen und die anderen nach oben zu rufen, wie es mir der aufgetragen hat, der mich gesandt hat.‹ Als er das gesagt hatte, wurden alle gesund ... die er verflucht hatte. Aber von da an wagte es niemand mehr, Jesus zu reizen ... weil sie Angst vor ihm hatten!«
    »Hat er denn als Kind überhaupt nichts Gutes getan?« Marie kuschelte sich in ihren wollenen Umhang.
    »Doch! Das Thomasevangelium berichtet auch davon. Als er einige Tage später mit einem anderen Jungen auf einem Dach herumspielte, fiel der andere Knabe herunter und brach sich den Hals. Die Eltern des anderen beschuldigten Jesus natürlich sofort, daß er ihren Sohn vom Dach gestoßen habe.«
    »Bei seinen vorherigen Taten ist das ja wohl auch kein Wunder!« mischte sich Marie ein. »Aber erzähl weiter!«
    »Ja. Als Jesus nun sagte, er hätte ihn nicht hinuntergeworfen, wollten sie ihm in ihrer Verzweifelung doch tatsächlich an den Kragen. Aber Jesus sprang daraufhin schnell vom Dach und stellte sich neben das tote Kind. ›Zenon! Steh auf und sag mir: Habe ich dich hinuntergeworfen?‹ Der Knabe erhob sich und sagte: ›Nein, Herr, du hast mich nicht hinuntergeworfen, vielmehr auferweckt.‹ Wenige Tage später heilte er den gespaltenen Fuß eines Holzhackers durch bloßes Berühren. Ach ja, da fällt mir noch eine ergreifende Geschichte ein.«
    »Nimmt sie ein gutes Ende?« fragte Marie leise.
    Pierre nickte. »Es wäre unfair, sich nur der grausigen Berichte aus den Apokryphen, zu erinnern. Also! In der Nachbarschaft der Werkstatt seines Vaters Josef, der, wie wir ja wissen, Zimmermann gewesen sein soll, starb ein kleines Kind, das schon lange krank gewesen war. Als Jesus nun, der selbst immer noch ein Knabe war, das Weinen und Klagen der Mutter hörte, eilte er zu ihr hinüber. Aber er kam zu spät. Das Kind lag schon tot in ihren Armen. Er berührte es an seiner Brust und sagte: ›Ich sage dir, Kleines, stirb nicht, sondern lebe und sei mit deiner Mutter vereint!‹ Sofort öffnete das Kind die Augen und lächelte ihn an. Zur Mutter sagte er: ›Nimm’s und gib ihm Milch und denk an mich!‹ Und danach ging Jesus mit den anderen Kindern wieder zum Spielen.«
    Pierre reichte Marie sein Taschentuch, denn Tränen der Rührung rannen über ihre Wangen. Er selbst wischte sich einen kleinen Tropfen aus dem Augenwinkel ... vielleicht waren es auch zwei.
    »Warum stehen denn diese Sachen nicht im Neuen Testament?« schluchzte Marie leise? »Das ist doch einfach wunderbar.«
    Pierre nickte. »Da mußt du diese alten

Weitere Kostenlose Bücher