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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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sprachlos. »Das hab’ ich alles nicht gewußt«, sagte sie leise.
    »Wir Pfarrer werden ja auch nicht dazu angehalten, dieses Thema in jeder Predigt auszuwalzen.«
    Stille.
    »Nur ein Beispiel!« fuhr Pierre fort. »Hast du dich schon mal gefragt, warum dieser Pontius Pilatus in den Evangelien als so mitfühlend und kultiviert beschrieben wird?«
    »Nein!« Marie überlegte. »Ich kenne die Bibel zwar nicht so gut wie du ... aber dieser Pilatus, dieser römische Statthalter, hatdoch nur mit Widerwillen dem Drängen der Juden nachgegeben und Jesus zum Tode verurteilt.«
    Pierre nickte. »Steht alles bei Matthäus. Pilatus wollte anläßlich des Passahfestes einen Gefangenen freilassen, den sich das Volk auswählen konnte. Neben Jesus war auch gerade ein Verbrecher namens Barabbas im Gefängnis. Und Pilatus fragte die Menge: › Was wollt ihr? Wen soll ich freilassen, Barabbas oder Jesus, den man den Messias nennt?‹« Pierre hob den belehrenden Zeigefinger. »Weiter steht da bei Matthäus: Pilatus wußte nämlich, daß man Jesus nur aus Neid an ihn ausgeliefert hatte. Sogar seine Frau ließ ihm sagen: ›Laß die Hände von diesem Mann, er ist unschuldig.‹ Aber die Menge rief immer wieder: ›Ans Kreuz mit ihm! Ans Kreuz mit ihm!‹ Da ließ er sich also eine Schale Wasser bringen und wusch sich vor allen Leuten die Hände.«
    »Ja, diese Stelle kenne ich«, flüsterte Marie. »›Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen. Das ist eure Sache. ‹ «
    »Da rief das ganze Volk:«, ergänzte Pierre leise. »›Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!‹«
    Stille.
    »Das ist eigentlich nur ein Beispiel dafür, daß der Inhalt der Heiligen Schrift, so wie wir sie kennen, schon von Anfang an manipuliert worden ist. Die Schrift war nämlich für griechisch-römische Leser im Reich Konstantin des Großen gedacht ... und da mußte man Pilatus, als römischen Statthalter, schließlich als ehrenwerten Menschen darstellen und Jesus eben als unschuldigen Sohn Gottes ... und nicht als Aufrührer, der den römischen Besatzern ständig Schwierigkeiten machte.« Pierre zuckte mit den Achseln. »Es las sich einfach besser! Auf irgendwelche Wahrheiten hat man da keine Rücksicht genommen! Aber ganz abgesehen davon: damals wußte man auch nicht mehr von Jesus, als wir heute.«
    Nach einer Weile fand Marie als erste ihre Stimme wieder. »Nur gut, daß dein Bischof nicht weiß, mit welchen Gedanken du dich beschäftigst.« Sie sah ihn mit gespieltem Ernst an. »Für mich klingt das nach der reinsten Ketzerei!« kicherte sie leise. »Was meinst du ...«, erschrocken hielt sie sich ihre Hand vor den Mund, »... wenn dieser Pater Zacharias in deinen Kopf sehen und deine Gedanken lesen könnte.«
    »Auch schon egal!« winkte Pierre ab. »Wenn du wüßtest, worüber ich in meinem Leben schon alles nachgedacht habe ... unddas als katholischer Pfarrer! Das wiegt doppeltschwer ... und da wird der Teufel in der Hölle schon mal ein paar Kohlen für mich nachlegen müssen ... wenn es soweit ist.«
    Marie überlegte. »Steht in diesen Apokryphen denn auch etwas über ... ja ... eben ... diesen Teufel?«
    »Egal, welche Frage man an unseren Glauben hat ... dort findet man die meisten Antworten. Was nun aber die Glaubwürdigkeit dieser Schreiberlinge und den Wahrheitsgehalt ihrer Evangelien angeht, da steht die Sache ... im Grunde genau so, wie mit dem Neuen Testament. Entweder man glaubt ihnen ... oder nicht! Beweise ... tja ... die gibt es auf keiner Seite!« Er flüsterte jetzt. »Aber ehrlich gesagt ... lese ich diese Apokryphen viel lieber als die Bibel. Sie sind einfach unglaublich spannend, und wenn man möchte ... bringen sie einen ganz schön zum Grübeln.«
    »Und was ist nun mit dem ... Teufel?«
    »Oh ja! Der kommt reichlich vor!« Er überlegte einen Augenblick. »Nehmen wir zum Beispiel das Bartholomäus-Evangelium, in dem dieser Bartholomäus Jesus nach seiner Auferstehung ungeniert anspricht und fragt: ›Herr zeige uns den Widersacher der Menschen, damit wir sehen, wie er geartet ist, oder welches sein Werk ist, oder woher er stammt, oder welche Macht er hat, daß er selbst dich nicht schonte, sondern dich ans Kreuz hängen ließ. Sei mir nicht böse und gib mir das Recht zu fragen‹. Dieser Bartholomäus war ganz schön neugierig und verwegen, was?«
    Marie fröstelte und hatte sich wieder in ihren Umhang gehüllt.
    »Jesus hat ihn noch gewarnt: ›Ich sage dir, daß, wenn du ihn siehst, nicht nur du, sondern mit dir auch

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