Seelenbrand (German Edition)
nicht glaubst ... wörtlich!«
Als Marie sich in ihren Umhang eingewickelt hatte, fuhr er fort. »Also, dieses riesige Ungeheuer ... der Satan ... schlug nun seine Zähne aufeinander, und aus dem Abgrund tauchte ein Rad auf, auf dem ein feuriges Schwert stand. Auf diesem Feuerschwert waren Rinnen angebracht ...«, Pierre zuckte mit den Schultern, »... das kann sich jeder vorstellen, wie er will ... aber diese Rinnen waren für den Teufel scheinbar wichtig, denn der sagte: ›Das ist das Schwert für die Schlemmer. In diese Rinne werden sie gelegt, weil sie in ihrer Schlemmerei zu jeder Sünde neigen. In die zweite Rinne kommen die Verleumder, weil sie ihren Nächsten heimlich verleumden. In die dritte Rinne kommen die Heuchler und die übrigen, denen ich durch meine Machenschaften einBein stelle.‹ Dieser Bartholomäus war ein wahrhaft neugieriger Kerl und fragte daraufhin weiter: › Tust du das in eigener Person?‹«
Marie horchte auf, und Pierre konnte ihre Neugierde förmlich knistern hören.
»Der Satan antwortete: › Wenn ich persönlich ausgehen könnte, so würde ich alle Welt in drei Tagen ins Verderben stürzen ... aber weder ich, noch einer ... der 600 , hat Ausgang. Wir haben andere, behende Diener, denen wir Aufträge geben. Wir rüsten sie mit einer Angel aus, die reich an Widerhaken ist, und schicken sie auf die Jagd, und sie fangen uns Menschenseelen, indem sie sie mit der Süßigkeit mannigfacher Verlockung verführen, als da sind: Trunksucht, Gelächter, Verleumdung, Heuchelei, Vergnügungen, Hurerei und die übrigen Mittel aus ihrer Schatzkammer, welche die Menschen schwach machen.‹ Und weil unser Bartholomäus jetzt genug gehört hatte, befahl er dem Satan frech: › Verstumme, Drache des Abgrunds!‹«
Er sah zu Marie hinüber. »Hörst du mir überhaupt noch zu, oder schläfst du schon?«
Eifriges Nicken von Marie. »Erzähl! Erzähl! So etwas hab’ ich ja in meinem ganzen Leben noch nicht gehört! Ich kann nicht glauben, daß es solche Schriften gibt!«
Pierre nickte. »Oh, ja! Wenn dich das schon fasziniert ... dann warte mal, was jetzt noch kommt!« Er setzte sich bequem hin und ließ seine Augen über die Kirchendecke wandern. »Als unser tapferer Bartholomäus also nun gehen wollte, weil er ja alles erfahren hatte, was er wollte, da sagte der Teufel zu ihm: ›Laß mich dir noch erzählen, wie ich hierhin geworfen wurde, und wie Gott den Menschen schuf. ‹ «
»Das hat er gesagt?« meldete sich Marie entrüstet. »Allmählich glaube ich, daß du mich auf den Arm nimmst!«
»Ehrenwort!« erwiderte Pierre und hob seine Hand zum Schwur. »Das steht alles in diesem Bartholomäus-Evangelium! Ob es alles stimmt ... das ist ja wieder eine ganz andere Sache. Aber zumindest beantwortet es einem neugierigen Menschen ... wie mir ... einige brennende Fragen, die mir die Kirche zeitlebens nicht beantworten wollte, oder konnte. Aber überleg doch mal! Im schlimmsten Fall ist es eine ... spannende Geschichte, also reiner Mumpitz zur Unterhaltung, der keinen Schaden anrichtet. Was wäre aber ... wenn in diesen Geschichten auch nur ein Funken Wahrheit steckte?«
Marie sah ihn mit großen Augen an.
»Aber das muß jeder selbst entscheiden«, fuhr Pierre fort. »Und um den Menschen diese schwierige Entscheidung vorher schon mal abzunehmen, ist dieses unheimliche Evangelium nie ins Neue Testament aufgenommen worden ... und wird als frommes, aber unglaubwürdiges Geschreibsel abgetan. Aber ich finde, jeder sollte sich sein eigenes Urteil bilden!«
»Nur gut«, seufzte Marie, »daß uns hier drinnen niemand hört!«
»Ist Gott denn niemand ?« fragte Pierre erstaunt zurück.
»Aber du hast doch gesagt, daß es keinen Gott mehr gibt!« verteidigte sie sich.
»Ich hab’ gesagt, daß ich schwere Zweifel an dem habe, was uns die Kirche über Jesus lehrt ... und daß ich deshalb die Dinge, die man über Gott verbreitet, auch nicht mehr so unbesehen glauben kann!« Er winkte ab. »Aber das werden wir ja gleich sehen ... ob wir zur Strafe in Flammen aufgehen, wenn ich dir die folgende Geschichte erzählt habe, oder nicht!«
»Pierre!« rief Marie voll Angst und Sorge. »Über so etwas macht man keine Scherze! Das ist ja nicht zu glauben! Ich möchte nur wissen, wer auf die Idee gekommen ist, dich zum Pfarrer zu machen!«
»Also, wenn du gestattest«, Pierre tat, als hätte er das überhört, »hat nun der Satan wieder das Wort. ›Als ich so in der Welt umherwanderte‹, erzählte der Teufel
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