Seelenbrand (German Edition)
zu entziehen. »Ja, aber ...« Sie fuchtelte hilflos mit den Armen. »Das geht doch aber nicht!«
»Warum? Weil ich der Pfarrer bin?«
»Ja!« sagte sie schließlich nach einer Weile und sah ihn fragend an.
Er atmete tief durch und legte seine Hand auf die ihrige. »Seit ich hier bin, in diesem seltsamen Dorf, bin ich dem Tod schon mindestens dreimal von der Schippe gesprungen.« Er faßte sich an den Kopf. »Kannst du mir mal verraten, wofür ich das alles hier überhaupt mache?«
Sie schwieg.
Er nahm einen großen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht. »Bäh! Der schmeckt ja scheußlich!« Angewidert stellte er seine Tasse auf den Tisch. »Da kannst du mal sehen, was passiert, wenn meine Lieblingshaushälterin sich einfach aus dem Staub macht!«
Plötzlich legte sie sanft ihre Hand auf seinen Arm. »Pierre!« sagte sie ruhig und bestimmt. Es lief ihm warm den Rücken hinunter, denn so hatte sie ihn noch nie genannt. »Du bist ein Pfarrer!«
Er sah sie durchdringend an. »Wenn du noch mal dieses Wortsagst, dann werde ich dir einen Kuß verpassen, gegen den die Apokalypse des Johannes eine leichte Brise ist.«
Kichernd hielt sie sich die Hand vor den Mund. Ihre Wangen hatten sich erneut gerötet. »Hast du schon wieder von dem Cognac getrunken? Du bist ... so verändert!«
»Oh ja!« Er erhob sich, bückte sich nach dem heruntergefallenen Fäßchen, öffnete das Fenster und schüttete den Rest seiner wertvollen Medizin hinaus, bevor er das leere Behältnis hinterherwarf. »Aber damit ist jetzt Schluß!« Draußen herrschte immer noch tiefste Nacht. »Ich hab’ viel Zeit gehabt, über alles nachzudenken ... sehr viel Zeit!«
Er ging langsam um den Tisch herum zum Schrank und nahm den Braten heraus, schnitt sich ein dickes Stück ab und biß hinein. »Also ... wir haben beschlossen ... daß sich in meinem Leben einiges ändern muß!« sagte er vieldeutig, während er genüßlich an dem Stück kaute und dem Hund, der schlummernd bei ihnen unter dem Tisch lag, ebenfalls eine dicke Scheibe hinlegte.
»Wir?« fragte Marie irritiert, als sich ihr zotteliges, schwarzes Erbstück schmatzend über das Fleisch hermachte.
»Ja! Wir haben lange auf dich gewartet!«
Da Marie nach der langen Nacht allmählich die Puste ausging – nicht zuletzt auch wegen des überfallmäßigen Kusses –, und sie nicht mehr sicher war, ob sie ihren Ohren auch wirklich noch trauen konnte, wollte sie dieses Thema erst einmal vertagen. Das ging ihr doch alles ein wenig zu schnell. Sie erkannte ihn nicht wieder ... und vielleicht würde er sich morgen früh schon an nichts mehr erinnern ...
»Sieh dir das mal an!« Sie wechselte das Thema und fischte nach dem kleinen Leinensack, den sie vorhin so gleichgültig unter den Tisch neben ihren Stuhl gestellt hatte. »Fragst du dich eigentlich gar nicht, was ich in der ganzen Zeit gemacht habe?« Nur mit Mühe konnte sie den Sack auf den Tisch heben.
»Das ist völlig egal!« Er griff wieder nach ihrer Hand. »Hauptsache ... du bist wieder da!« Er winkte ab. »Soll die Kirche doch lügen, daß sich die Balken biegen! Ich werde mein Leben deshalb nicht länger ...«
»Es geht um Stevensons Schatzinsel ... und nicht um die Kirche«, fuhr sie dazwischen ehe er aussprechen konnte und sah ihn mit großen Augen an.
»Wie? Was hat denn dieser alte Piratenschmöker jetzt mit uns zu tun?«
»Hast du mich nicht ausgelacht«, sie hob ihre Nase, »als ich von den Schätzen gesprochen habe, die hier vergraben sein sollen?«
Während sie das sagte, schüttete sie den Inhalt des kleinen Leinensacks unter hellem Geklimper auf den Tisch. Die Strahlen der Laterne entzündeten ein blitzendes, goldblinkendes Feuerwerk.
»Was ist denn das?« Pierre hatte seine Augen weit aufgerissen, als er den funkelnden Haufen goldener Münzen vor seiner Nase liegen sah. »Ich glaub’s nicht!« japste er. »Kneif mich mal! ... Aua!« schrie er. »Bist du wahnsinnig! Doch nicht so fest!«
» Das war für den unverschämten Kuß!« Sie kniff erneut zu.
»Aua! He! ... und wofür war das?« Er rieb sich den Arm.
»Dafür, daß du mit meinen Gefühlen spielst!« lachte sie und hielt ihm ein einzelnes Goldstück vor die Nase. »Na ... wer ist hier nun verrückt?«
Er sah sie ungläubig an und nahm das blitzende Etwas in seine Hand. »Du willst mir doch nicht etwa erzählen, daß diese Messingknöpfe ...?«
»Messingknöpfe?« Sie lachte laut auf. Geduldig hielt sie sich aber zurück, bis er das Ding eine Weile betrachtet
Weitere Kostenlose Bücher