Seelenbrand (German Edition)
Ereignisses haftete den Merowingern schon immer etwas ... Geheimnisvolles an. Man nannte sie ›die Könige mit den langen Haaren‹. Denn genau wie Samson, weigerten sie sich, ihre Haare abzuschneiden ... weil sie glaubten, daß darin die Quelle für ihre übernatürlichen Fähigkeiten läge.«
»Und von denen liegen welche unter meiner Kirche?«
Sie nickte. »So wie es aussieht ... ja!«
»Und was bedeutet das?« Wieder fuhr er sich müde durch die Haare.
Sie zuckte mit den Achseln und schnaufte. »Das bedeutet, daß sich da unten Unmengen von alten Gebeinen türmen, die mindestens schon tausend Jahre alt sind. Aus irgendeinem Grundhat man über die Jahrhunderte hinweg die Toten hier unter deiner Kirche begraben.«
»Und warum?« Eine unappetitliche Schweinerei ist das!
Sie überlegte. »Vielleicht ist es ein besonders ... heiliger oder geweihter Ort?«
Verwirrt sah er sie an. »Aber das würde ja meiner Theorie über das Böse in der Kirche völlig widersprechen.«
»Ja, das stimmt!« Sie ließ ihren Blick schweifen und dachte nach. »Aber ich glaube nicht, daß sich diese Kreuzritter und Templerbrüder, die wir unten in der Krypta gefunden haben, ausgerechnet einen Ort für ihre letzte Ruhe ausgesucht haben ... der verflucht gewesen wäre, oder? Das wäre doch ... widersinnig!«
»Hm? Ja, sie würden doch wohl eher einen besonders ... geweihten oder heiligen Ort vorziehen ... aber wie paßt das dann zusammen mit dem Bösen, vor dem uns der alte Saunière warnen wollte?« Voller Unbehagen rutschte er auf seinem Stuhl hin und her. »Bei dem Gedränge da unten, ich erinnere dich nur daran, daß sie sogar in den Wänden der Kirche hinter dem Kreuzweg aufgestapelt sind, da muß man sich doch fragen, ob es hier in der Gegend keinen anderen Platz gab, an dem man seine Toten beerdigen konnte, als auf diesen paar Quadratmetern?«
Sie dachten lange nach.
»Eigentlich läßt das ja nur einen einzigen Schluß zu!« sagte Marie schließlich nach einer Weile und sah Pierre ernst an.
Der überlegte lange, eher er das aussprach, was sich jetzt jedem halbwegs intelligenten Menschen zwangsläufig aufdrängen mußte. »Dann muß das hier ein besonders geweihter Ort sein, vielleicht sogar ein heiliger«, sagte er leise, »... und nur deshalb haben die Menschen seit Jahrhunderten ihre Toten hier begraben.«
»Wahrscheinlich hast du recht ... aber wie paßt das mit unseren Theorien über das Böse zusammen, das diesen Ort heimsucht?«
»Tja«, Pierre ließ sich in seinen Stuhl sacken, »darauf weiß ich auch keine Antwort.« Er sah sie an. »Und du? Weißt du noch irgend etwas über diese Merowinger, das uns weiterhelfen könnte?«
Sie spielte mit einer Goldmünze und dachte lange nach. »Wenn man mal dieses ganze Zeug mit den Sagen außen vorläßt ... dannbleibt nicht viel übrig, was für uns von Bedeutung wäre ... hm ... aber warte mal ... da war doch noch etwas. Ach, ja!« Sie schnippte mit dem Finger. »Da war noch dieser Dagobert II., den haben sie irgendwann gegen Ende des siebten Jahrhunderts ermordet, er stammte auch aus dieser Merowingerdynastie ... aber das ist nicht so wichtig.« Sie dachte nach und rieb sich die Nase. »Und dieser Kerl hat schamlos und penetrant damit geprahlt, daß er ...«, sie zögerte, »... auf einen solchen Unsinn kann auch nur ein Mann kommen ... der hat doch tatsächlich behauptet ... er wäre ein direkter Nachkomme von ... Jesus!«
Unwillkürlich mußten sie beide sofort lachen.
»Schön, daß es jemanden gab, der noch verrückter war, als wir! Aber ...«, er stockte und deutete auf den Futternapf mit dem Heringskopf darin, »... warum heißt denn der Kater vom Alten dann ausgerechnet Dagobert?« Er kratzte sich am Kopf. »Seit dem Tag, an dem ich das unfreundliche Tier hier zum Mäusevertreiben eingestellt habe, frage ich mich, wie der alte Saunière diesem einäugigen Fischfresser nur einen solch blöden Namen geben konnte?«
»Glaubst du ...«, fragte Marie, nur so ins Blaue hinein, »... daß das etwas mit unserem Dagobert von den Merowingern zu tun hat?«
Er blickte sie ratlos an. »Gibt es sonst einen Grund, einem Tier einen solchen Namen zu geben?«
Sie schwiegen und dachten nach.
»Nehmen wir nur einmal an ...«, Pierre hob zur Abwehr aller Einsprüche schon jetzt seine Hände, »... nehmen wir also nur einmal an, dieser Verrückte von damals hätte recht gehabt ... und Jesus wäre tatsächlich sein Vorfahre gewesen ... und so weiter«, er machte ein paar wirre
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