Seelenbrand (German Edition)
überall gleich dunkel, du wirst dich wundern. Auch sind sich die Schriften uneinig darüber, wer nun die Hölle geschaffen hat. So wird erzählt, daß der Allmächtige die Pläne Luzifers schon vorher durchschaut hatte.
Er hat lange, lange gewartet und zugesehen, wer sich auf die andere Seite schlug. Die Rebellion vollzog sich nicht von einem Tag auf den anderen.« Er bat um ein Glas Wasser und fuhr fort. »Auch der Grund für diesen Aufstand in den sieben Himmeln ist in den Schriften nicht immer derselbe. So heißt es in einer, daß der Allmächtige zuerst ein vollkommenes Ebenbild seinerselbst geschaffen hatte, den höchsten Geist, den er Christus, seinen Sohn nannte. Nach diesem wurden sechs weitere Geister geschaffen, die ebenfalls ›Söhne Gottes‹ genannt wurden ... die dem Erstgeschaffenen aber an Schönheit und Macht nicht vergleichbar waren. Und der zweite dieser Söhne soll Luzifer gewesen sein, der dem ersten – Christus – seine Macht und Herrlichkeit neidete. Er sammelte andere Engel und einen Teil der himmlischen Heere um sich. Gott der Allmächtige ließ es geschehen, denn der freie Wille war sein Geschenk an alle seine Geschöpfe ... und er befahl den Engelsscharen, die seinen Thron bewahrten,und die ihm gehorsam waren: ›Bereitet eine Stätte für die Ungetreuen! Alles Licht soll ihr entzogen werden ...‹ Und sie schufen daraufhin die Hölle ... denn an einen gemeinsamen Verbleib der zwei Parteien in den sieben Himmeln war nicht mehr zu denken.«
»Und wie haben sie dann diesen Luzifer in die Hölle geschafft?« fragte Marie in ihrer unnachahmlich respektlosen – aber nicht taktlosen – Art.
»Tja, meine Liebe ...«, Severin kannte offensichtlich ihre kritische Ader aus früheren Diskussionen, »... du wirst es mir wahrscheinlich nicht glauben, aber es steht alles genau in der Bibel, in der Apokalypse des Johannes. Ich bin nicht verrückt!«
Marie spielte verlegen mit dem Amulett, das um ihren Hals hing.
»›Da entbrannte im Himmel ein Kampf‹, steht dort. ›Michael, der Erzengel, den der Allmächtige als einen der ersten geschaffen hatte, und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen. Der Drache und seine Engel kämpften, aber sie konnten sich nicht halten, und sie verloren ihren Platz im Himmel. Er wurde gestürzt, der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verführt; der Drache wurde auf die Erde gestürzt, und mit ihm wurden seine Engel hinabgeworfen.‹«
»Das steht in der Apokalypse?« fragte Marie erstaunt nach. »Ich hab’ das wirre Zeug nie so genau gelesen, weil ich diese ganzen fürchterlichen Beschreibungen von Johannes nur für so etwas wie ...«, sie überlegte.
»Für einen Alptraum?« half ihr Pierre auf die Sprünge.
»Ja, ja!« sie nickte. »Eben ... so wirr und unverständlich wie vieles, was da drin steht.«
»Das geht mir genauso!« beruhigte sie Pierre. »Unsere Theologen haben dann so lange an den Sätzen herumgekaut, bis das herauskam, was sie hören wollten.«
»Ihr habt recht!« mischte sich Severin ein. »Aber ich bin noch nicht fertig.« Er nahm einen Schluck Wasser. »Es gab also eine fürchterliche Schlacht am Himmel zwischen den Heeren Gottes und dem Satan.« Er hielt kurz inne und betrachtete seine beiden Gegenüber. »Ihr könnt mir doch folgen?«
»Ja, natürlich! Aber ich bin nur überrascht, daß diese Dingeeinfach so in der Bibel stehen«, antwortete Marie. »Ich hätte gedacht, daß eine solch ... grausame Wahrheit, daß der Teufel auf die Erde gekommen ist ... auf ewig ... irgendwo verborgen wäre.«
»Mit einem Theologen brauchst du über diese Stelle gar nicht erst zu diskutieren«, brummte Pierre. »Es sei doch nur eine Vision, die man auf keinen Fall wörtlich verstehen dürfe. Bla, bla, bla! Ich kenne diese bleichen Bücherwürmer!«
»Das gleiche gilt wohl auch für die Stelle bei Lukas, Kapitel zehn, Vers achtzehn: ›Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.‹
»Die Schlacht in den Wolken!« aufgeregt gestikulierte Marie mit ihren Händen. »Warum ignoriert man denn all diese Hinweise?«
Pierre und Bruder Severin sahen sich an. »Weil das Unglaubliche einfach nicht wahr sein darf!« brummte Pierre. »Ich kenn’ den Laden.«
»Und dabei wird die Apokalypse des Johannes noch deutlicher, wenn es um den Verbleib des Teufels nach seiner verlorenen Schlacht am Himmel geht.« Severin dachte nach. »Nachdem unser Johannes also nun gesehen hat, wie der Teufel vom
Weitere Kostenlose Bücher