Seelenbrand (German Edition)
ist ... also ... unsere Marie würde mit ihrer spitzen Zunge sogar ... dem Teufel die Butter vom Brot nehmen!« prustete Pierre heraus. Nur langsam konnten sie sich wieder beruhigen. Marie war mittlerweile knallrot angelaufen.
»Hab’ ich etwa etwas Falsches gesagt?« Sie war sich absolut keiner Schuld bewußt.
»Nein, nein ...«, Pierre winkte ab und kämpfte mit seiner Fassung, »... aber du hast es tatsächlich fertiggebracht – und dann noch als Frau – das gesamte Neue Testament ... in einem Satz zusammenzufassen! Also so etwas habe ich ja noch nie gehört!«
»Unverschämtheit!« rief sie und boxte Pierre in die Seite.
Aua! Immer wieder auf dieselbe Stelle.
»Wie könnt ihr zwei hier so albern herumlachen, wo wir doch gerade über die schlimmsten Alpträume der Menschen sprechen!« schimpfte sie. »Die Hölle ist doch schließlich eine ernste Sache, oder?« Sie wurde richtig böse.
»Nun mal langsam, meine Liebe!« Severin wurde wieder ernster. »Wir leben doch noch, oder? Niemand hat uns dafür bestraft ... daß wir gerade gelacht haben. Oder hast du geglaubt, der Boden täte sich auf ... und in einer Schwade von Feuer und Rauch würde der Satan erscheinen, um uns dafür zu martern ... daß wir uns über ihn lustig gemacht haben?«
Marie sah sich unsicher um. »Nein, natürlich nicht!« log sie. »Aber ... ist es denn ... wirklich ... ganz ausgeschlossen?«
»Damit greif’ ich zwar unserer Geschichte von Jesus und seinem Abstieg in die Hölle vor ... aber ich will dir soviel verraten: Der Teufel wird in einem Kampf besiegt ... und eigentlich fürchtete der Satan, daß ihn die himmlischen Mächte jetzt vernichten würden ... aber Jesus ...«, er griff nach ihrem Arm, »... und jetzt hör genau zu ... jetzt wird es sehr wichtig ... Jesus tötete ihn nicht ... er änderte statt dessen, im Auftrag Gottes, gewissermaßen die Spielregeln in der Hölle ... also auf unserer Erde!«
»Nun spann mich nicht auf die Folter, Severin!«
»Von nun an ... durfte der Teufel nur noch über die herrschen ... die sich ... freiwillig ... seiner Gesinnung anschlossen. Die aber ... die zurück in die sieben Himmel wollten ... die mußte er ab sofort gehen lassen. Es stand ihm zwar frei, sie durch Versprechungen oder durch Täuschungen zu verführen und zu versuchen, sie an sich zu binden ...«, er drückte ihre Hand, »... und jetzt kommt die entscheidende neue Regelung ... aber mit Gewalt ... durfte er fortan niemanden mehr bei sich in der Erdenhölle halten.«
»Und ... deshalb würde er niemals ... leibhaftig vor einem Menschen stehen ... und ihm etwas Schreckliches antun, weil ... er es gar nicht dürfte?« fragte Marie bohrend nach.
»Ja! Genau so ist es!« Pierre sprach langsam und geduldig. »Das heißt in unserem Fall hier ... daß er uns nicht selbst den Hals umdrehen würde ... nur weil wir über ihn gelacht haben ... Das wäre ein Verstoß gegen die neuen Himmel-Hölle-Spielregeln! Er dürfte nur dafür sorgen ... daß wir uns ... beispielsweise im Cognacrausch ... gegenseitig die Schädel einschlagen – freiwillig gewissermaßen. Oder er ließe uns im Vollbesitz unseres Geistes ... absolut freiwillig – etwa aus lauter Gram über diese Welt, in der wir leben müssen – auf den Kirchturm steigen ... und hinabspringen. Aber! ... Hinabstoßen dürfte er uns nicht! Das wäre gegen die Spielregeln!«
»Oder«, mischte sich Severin ein, »er schickt uns jemanden, der uns für unsere Ketzerei verbrennen würde. Aber vorher hat er diesem Menschen eingeredet ... daß es Gottes Wille sei ... daß die, die anderen Glaubens sind ... auf dem Scheiterhaufen umgebracht werden müßten.«
Marie fuhr erschrocken hoch. »Ihr denkt doch nicht etwa an diesen Pater Zacharias ... und seinen Rodrigues?«
»Unter seinen Vorgängern gab es Inquisitoren, die dem Teufel in nichts nachstanden.« Pierre winkte ab. »Aber unser Dominikaner ist nur ein Hauch, gemessen an der Feuersbrunst, die in den vergangenen Jahrhunderten – im Namen der Kirche – über die unschuldige Menschheit hinweggezogen ist.«
»Aber wie kann denn dann ein Mensch wissen, ob das Gute oder ... das Böse zu ihm spricht?« Marie war verwirrt.
»Heißt es nicht, du sollst nicht töten?« Severin sah sie ernst an. »Und weiß nicht jeder Mensch ... daß es Unrecht ist ... seinem Nächsten Gewalt ... oder Leid anzutun? Schiebt nun dieser Mensch alle seine Bedenken einfach beiseite ... freiwillig ...«, er machte eine lange Pause, »... dann verschreibt er
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