Seelenbrand (German Edition)
...«, er zögerte, »... vielleicht wollte er der Menschheit eine ganz andere Nachricht hinterlassen ... die nicht dieses Gemäuer betrifft ... sondern die ganze Erde! Die Botschaft ... daß wir uns an einem wahrlich schrecklichen Ort befinden ... etwa in der Hölle ... so, wie Severin es uns gesagt hat! Vielleicht hat er ja hier irgendwo die schreckliche Gewißheit gefunden?«
Die Vögel verstummten.
»Hast du die zweite Lampe?« Pierre zog die schwere Kellertür von innen zu und schob den auf der Innenseite angebrachten Riegel vor. »Ist ja seltsam«, er ging voran, »die ganze Pfarrei ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Dann wollen wir doch mal sehen, was wir hier unten noch finden.«
Die alte Holztreppe führte Stufe für Stufe gerade nach unten in die Dunkelheit. Er blieb stehen und sah sich nach Marie um,die mit zwei leeren Säcken hantierte. »Du wirst schon sehen ...«, sagte sie, als sie sich beobachtet fühlte, »... nachher bist du froh, wenn wir sie dabei haben!«
»Hauptsache du fällst damit nicht die Treppe runter!« Er hatte sich schon wieder umgedreht und war einige Stufen weiter hinuntergegangen. »Findest du nicht, daß wir allmählich unten sein müßten?« fragte er ohne sich umzusehen.
»Für einen Keller war mir das auch schon zu tief ... als ich vorhin die Treppe hinaufgestiegen bin! Aber ich war ja froh, überhaupt irgendwo einen Weg hinaus gefunden zu haben!«
»Und komm bloß nicht auf die Idee«, er wartete bis sie auf seiner Treppenstufe stand, »wieder durch irgendeinen Gang zu verschwinden.« Ehe sie protestieren oder ihn in die Seite boxen konnte, küßte er sie ohne Vorwarnung auf ihre warmen Lippen. Das ist für mein Porträt ...
»Du wirst ja nicht mal rot!« Provozierend hielt er ihr seine Laterne vor die Nase.
»Das muß ausgerechnet jemand sagen«, sie schoß sofort zurück, »der sich hemmungslos im Brunnen wäscht ... und sich nackt unseren Damen vom Pfarrkomitee präsentiert.« Pierre wollte sich gerade umdrehen und weitergehen. »Und außerdem ...«, setzte Marie an, so daß er sich ihr nochmals zuwandte. Sie machte einen Schritt vor und saugte sich – ebenfalls überfallsartig und ohne Vorwarnung – mit ihren Lippen an den seinen fest. Erst als er nach Luft rang, ließ sie von ihm ab und wischte sich mit dem Handrücken zufrieden ihren Mund ab. »Und wenn du glaubst, ich wäre von gestern ...«, sie sah ihn lachend an, »dann bist du schiefgewickelt!«
»Junge, Junge!« Pierre hatte es den Atem verschlagen. »Für jemanden, der gerade erfahren hat, daß er in der Hölle sitzt, war der Kuß schon nicht schlecht!«
»Nicht schlecht?« Resolut stellte sie ihre Laterne ab und zog ihn wieder zu sich heran. Eigentlich wollte sie erst noch ein bißchen weiter protestieren, aber da hatte er schon ihren Mund mit seinen Lippen zum Schweigen gebracht. Die Welt holte einen Augenblick Atem, und das Brausen der Höllenerde um sie herum hielt für einen Moment inne.
»Na ...«, sie wischte sich wieder mit dem Handrücken ihren Mund ab, »für einen Priester war das schon gar nicht so schlecht!«
»Ja ... in Anbetracht der äußeren Umstände«, er balancierte gefährlich auf dem Rand der Treppenstufe, auf der für sie beide kaum Platz war, »bin ich ganz zufrieden mit mir!«
»Na, gut!« Sie griff sich – so als wäre nichts geschehen – wieder ihre Laterne. »Nachdem wir das also geklärt hätten, sollten wir vielleicht nachsehen, was dort unten ist, oder?«
Pierre hüstelte. »Ja, aber ich beantrage, daß wir diese Dinge an einem schöneren Ort nochmals aufgreifen sollten ... wenn du willst?«
Sie nickte.
So ein Luder! Eigentlich hätte er erwartet, daß er sie wenigstens in Verlegenheit bringen würde, aber diese Partie endete mit einem Unentschieden. Und das Wort Priester wollte er wirklich nicht mehr hören. Wenn Severin recht hatte, dann war er ab heute ein ... Höllenpriester ... der die armen Seelen – die sich so willig von ihm segnen ließen – über ihren wahren Aufenthaltsort im Dunkeln ließ.
»Wir sind unten!« Er hielt seine Lampe in die Höhe. »Das ist eine Höhle hier unten ... und kein Keller! Und dieses ganze Zeug ... sieh dir das mal an! Was wollte er nur mit den ganzen Kisten?« Langsam schritt er im Lichtkegel seiner Laterne durch das Chaos. »Riechst du das?« In einer abgelegenen Ecke blieb er stehen, hob seine Nase und schnüffelte.
»Meinst du schon wieder den Gestank von diesem armen Aushilfspfarrer?« rief Marie herüber und
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