Seelenbrand (German Edition)
rüttelte an einer verschlossenen Holzkiste. »Wir haben ihn doch beerdigt.«
»Nein, nein!« Er überlegte und schnüffelte erneut. »Es ist etwas anderes.« Während sich Marie immer noch – mit zunehmender Gewalt – an der Kiste zu schaffen machte, ging er vorsichtig zwei Schritte zurück und beleuchtete den Boden zu seinen Füßen. Er war feucht. Ein markerschütterndes Quietschen ließ ihn herumfahren. »Was machst du denn da schon wieder?« rief er genervt und ging zu ihr hinüber. Sie versuchte mit einem Brecheisen und mit steigender Verbissenheit den Deckel der Holzkiste aufzuhebeln.
»Laß mich mal! Das kann man ja nicht mit ansehen!« Er nahm ihr das mörderische Eisending aus der Hand und setzte es unter den Deckelbrettern an. »Wo hast du dieses Mordinstrument denn überhaupt schon wieder her?«
»Es lag da unten zwischen den anderen Kisten!«
Pierre wollte das gewaltige Gerät gerade in Aktion versetzen, als er innehielt. »Riechst du das wirklich nicht?« Er sah sie fragend an.
Unschlüssig schnüffelte sie in der Luft und kräuselte schließlich doch ihre Nase. »Also ... wenn ich es nicht besser wüßte ...«, sie roch an ihren Händen, »... stinkt es hier nach Petroleum.«
»Ja, das meine ich auch!«
Ein kurzes Rucken seines kräftigen Oberkörpers, und der Deckel der Kiste gab unter Knarren und Quietschen – nur widerwillig – nach. Marie stand schon mit ihrer Laterne aufgeregt neben ihm, und noch ehe er das Deckelteil zur Seite geschoben hatte, steckte sie neugierig ihren Arm in die Kiste.
»Vorsichtig! Bist du verrückt geworden?« Pierre griff augenblicklich ihren Oberarm und zog den neugierigen Greifer wieder heraus. »Nach dem, was Severin uns erzählt hat, sollten wir von nun an ein wenig aufpassen, wohin wir treten, und was wir anfassen!«
»Glaubst du etwa, der Teufel oder einer seiner Helfer hätte sich hier unten versteckt?« fragte sie provozierend und wollte schon wieder in die dunkle Kiste langen.
»Und wenn das Bretterding hier«, er klopfte auf das Holz der Seitenwände, »der Eingang zu den tiefsten Tiefen der Erdenhölle wäre?«
Wie elektrisiert zuckte sie zusammen, und ihr Arm schnellte aus der Kiste zurück. Entgeistert sah sie ihn an, während er seine Laterne über dem riesigen Holzbehältnis kreisen ließ. »Du glaubst ihm also wirklich?«
Er blickte sie einen Augenblick schweigend an. »Hast du schon vergessen, was du unserem Severin versprochen hast?«
»Nein, natürlich nicht!« sagte sie, unwillig wie ein bockiges Kind. »›Wie konnte Gott das zulassen?‹ ... sollte ich mich fragen, oder? Aber was hat das jetzt mit der Kiste da zu tun?«
Pierre hatte sich bereits über das Behältnis gebeugt und hörte gar nicht mehr zu. »Sieh dir das an!« Langsam zog er seinen Arm wieder heraus und hielt ihr das Ding, das er herausgefischt hatte, unter die Nase.
»Ein Kruzifix?« Eilig schob sie sich an ihm vorbei und streckte ihren Kopf über den Kistenrand. »Da sind ja nur Kruzifixe drin!« Sichtlich enttäuscht stellte sie sich wieder auf beide Füße. »Undaußerdem«, sie sah zu Boden, »ist es hier feucht.« Sie bückte sich, nahm mit dem spitzen Finger eine Probe und hielt sie unter ihre neugierige Nase. »Petroleum!«
Pierre stimmte ihr zu. »Hier ist alles voll ... mit diesem Zeug. Sogar die Kisten!« Er strich mit der flachen Hand über das Holz. »Sie haben sich schon regelrecht vollgesogen. Mahnend tippte er ihr an die Schulter. »Paß bloß auf mit der Laterne ... sonst gibt’s hier ein hübsches Feuerwerk!«
»Das kannst du laut sagen!« Starr blickte sie an ihm vorbei, auf etwas, das im Lichtkegel der Laternen hinter ihm aufgetaucht war. »Sieh dir das mal an!«
Er drehte sich um und augenblicklich standen ihm sämtliche Nackenhaare – und davon hatte er eine Menge – zu Berge. »Ich werd’ verrückt. Schießpulver!« Ohne weitere Erklärung nahm er ihr sofort die Laterne aus der Hand. »Du hast ab sofort Lampenverbot!«
»Und wieso?« protestierte sie. » Du hast doch mit deinen Zündhölzern die letzte Explosion im Stollen ausgelöst und nicht ich .«
Da sie einfach nicht aufhören wollte zu schnattern, gab er ihr hinterrücks einen laaangen, laaangen Kuß. Und erst als er den Eindruck hatte, sie wäre nun für einen Augenblick mundtot gemacht, ließ er von ihr ab.
»Was sind denn das hier für neue Sitten?« war das einzige, was sie herausbrachte, als sich Pierre schon wieder den Fäßchen mit dem schwarzen Pulver zugewandt
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