Seelenbrand (German Edition)
zu tun?«
Pierre überlegte. »Warte ... wir dürfen uns nicht verwirren lassen. Der alte Abbé ist offensichtlich einer Spur nachgegangen, die mit der Kreuzigung von Jesus oder der seines Zwillingsbruders zusammenhing. Denk an die beiden Kinder auf dem Arm von Maria und Josef und die Bilder dort oben im Bücherturm mit diesem Zwillingsjünger – gemalt von bedeutenden Künstlern vor über vierhundert Jahren.«
»Ja!« Sie nickte. »Soweit kann ich dir folgen!«
»Vielleicht hatte er sogar den Beweis für seine ungeheuerlichen Entdeckungen gefunden ... und damit Rom erpreßt? Was wollten die Kardinäle denn sonst hier in diesem Nest?«
»Und daher hatte er auch das ganze Geld für die Villa und sein ausschweifendes Leben«, ergänzte sie.
»Vermutlich ja. Aber ich muß zugeben ... ich weiß nicht, wiediese Geschichte von Severin – mit der Erde als Hölle – da hineinpaßt.«
»Ist es möglich«, rätselte Marie, »daß unser alter Abbé auf seiner Suche nach der Betrügerei bei der Kreuzigung ... zufällig ... auf diese andere Sache ... mit Luzifer und den Engeln gestoßen ist?«
»Hm? Aber dann hätten wir ein logisches Problem ... Denn wenn diese Geschichte mit Luzifer wirklich stimmt ... dann hat es auf keinen Fall einen Betrug bei der Kreuzigung gegeben. Du hast Severin ja gehört ... Jesus mußte unbedingt gekreuzigt werden ... so sah es der Plan vor.«
»Vielleicht ist er ... ja ... erst kurz vor seinem Tod auf diese Sache mit dem Satan auf Erden gestoßen?« Marie gestikulierte unbeholfen herum. »Denk doch mal an dieses Dokument, das Severin in seinem Sterbezimmer in Händen gehalten haben will. Vielleicht hat außer ihm ... sonst noch niemand anderes ... dieses Pergament gelesen? Vielleicht hat der alte Abbé nicht mal mehr die Zeit gehabt, seine Vorgesetzten davon zu unterrichten?«
»Aber...«, fiel ihr Pierre ins Wort, »... wer hätte ihm eine derartig wilde Geschichte schon geglaubt ... daß wir alle verbannte Engel aus den sieben Himmeln wären? Ein müdes Lächeln wäre alles ...«
»Wo hängt eigentlich unser Kruzifix in der Küche?« fragte Marie und wechselte lieber wieder das Thema.
Pierre strich sich übers Kinn und grübelte. »Hängt da überhaupt eins?«
»Und im Arbeitszimmer?«
Er schüttelte den Kopf. »Jetzt, wo du mich fragst ... da ist auch keines!« Er dachte nach. »Hm? ... Ich hab’ im ganzen Pfarrhaus noch kein einziges Kreuz gesehen. Und wenn ich mich nicht täusche, hängt in der Kirche auch keins.«
»Es gibt nur dieses eine, steinerne Riesenkreuz auf dem Vorplatz!« flüsterte Marie aufgeregt und deutete auf die mit Petroleum vollgesogene Kiste mit den Kruzifixen. »Meinst du etwa ... der Alte hat alle Kreuze eingesammelt und hier unten versteckt?«
»Es spricht alles dafür. Nur woher kommt das ganze Schießpulver? So neu wie die Fäßchen aussehen ...«, vorsichtig leuchtete er zu ihnen hinüber, »... unwahrscheinlich, daß sie von irgendwelchenBergleuten hier zurückgelassen worden sind.« Er schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, ... wir kommen hier nicht weiter. Wie wär’s, wenn du mir zeigst, wo du die Goldmünzen her hast?«
Sie griff nach einer Laterne.
»Na, na!« Er war schneller und schnappte sie ihr vor der Nase weg. »Da ich am Leben hänge«, lächelte er, »schlage ich vor, daß ich leuchte, und du uns den Weg zeigst!«
»Ich könnte natürlich jetzt einen Streit vom Zaun brechen ...«, murrte sie, während sie zu einer Wand hinüberging und mit der Hand dagegen drückte ... aber nichts tat sich. Verunsichert versuchte sie es weiter rechts. Nichts!
»Du hast doch nicht etwa vergessen, wo diese geheime Tür ist?« fragte er aus sicherer Entfernung und hielt beide Laternen in die Luft.
Ihre Augen funkelten ihn an. »Wenn ich die Ruhe hätte, um mich einen Augenblick zu konzentrieren, wären wir schon längst auf der anderen Seite, aber ihr Männer ...«
Im selben Augenblick ertönte ein deutliches Klacken. Es konnte von einem geheimen Mechanismus stammen, den sie – mehr oder minder absichtlich – mit den Händen berührt hatte.
»Ha! Hab’ ich’s doch gewußt!« triumphierte sie. »Weibliche Intuition ist eben doch unschlagbar!« In der felsigen Wand des Kellers hatte sich ein Spalt geöffnet. »Sie klemmt!« Marie versuchte mit aller Kraft die unsichtbare Tür aufzudrücken.
»Laß mich mal!« Pierre war erst nähergekommen, nachdem sie sich – unter Geächze und Geschimpfe – an der störrischen Steintür abreagiert hatte. Sie
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