Seelenbrand (German Edition)
hatte.
»Das Zeug hier reicht aus, um uns samt Pfarrhaus und Katze bis auf den Mond zu jagen. Also ...«, er sah sie flehendlich an, »tu doch wenigstens einmal das, worum ich dich bitte. Ohne zu nörgeln!«
Sie fuhr sich immer noch irritiert mit den Fingern über ihre Lippen. »Du hast nicht zufällig von dem Arsen, oder einem anderen Gebräu genascht, oder?« stocherte sie.
»Warum?« Er hatte sich niedergekniet und den Deckel eines Fäßchens abgehoben. »Donnerwetter! Randvoll! Sechs ... acht ... und da hinten sind noch zwei.« Vorsichtig erhob er sich und kam auf Zehenspitzen zu ihr herüber. »Wenn ich mir vorstelle, daß wir da oben am Tisch sitzen und ganz unbefangen gebratene Eier essen, während sich unter uns dieses explosive Arsenal befindet ... da bleibt mir das Essen jetzt noch im Hals stecken. Ab sofortwird im Pavillon, im Garten gegessen! Und was meinen eigenen Verbleib angeht ... da muß ich mir etwas anderes überlegen! Vielleicht können wir Bruder Zacharias da oben im Pfarrhaus einquartieren?« Der Scherz lockerte ein wenig seine Anspannung.
»Also?« fragte Marie und stemmte ihre Hände in die Seite.
Pierre betrachtete wieder die Kiste mit den Kruzifixen. »Was heißt hier also ?«
»Ich will nun endlich wissen, ob du vom alten Severin irgendein Pulver bekommen hast?«
»Warum?«
»Warum?« Sie verdrehte die Augen, wie er nur so begriffsstutzig sein konnte. »Gestern warst du noch Pfarrer ...«, sie gestikulierte wild herum, um nach den richtigen Worten zu suchen, »... mit all diesen Sachen wie Soutane und ... und ...«, jetzt ging ihr der Dampf aus.
»Zölibat ... ist das Wort, das du suchst!« Erheitert sah er ihr dabei zu, wie sie verzweifelt versuchte, um den heißen Brei herumzureden.
»Ja, so heißt das wohl!« Sie fuchtelte wieder mit den Händen. »Und? Galt das nur bis gestern und heute nicht mehr ... oder so?«
Er legte das Kreuz zurück in die Kiste. »Nein, so einfach ist die Sache natürlich nicht.« Er wurde ein wenig ernster. »Aber ich will es kurz machen. Sagen wir mal so ...«, er angelte ein anderes Kruzifix heraus, »... ich habe bei der heiligen Firma angefangen, weil es der Wunsch meines Onkels war. Am liebsten wäre ich ja Ingenieur geworden.« Er seufzte. »Aber irgendwann hatte ich mich dann mit meinem Schicksal abgefunden. Ich hab’ auch nicht weiter darüber nachgedacht, was ich den Menschen tagtäglich predigte ... bis mir eines Tages diese Apokryphen in die Hände gefallen sind ... und nach den Ereignissen hier ... und vor allem nach dem, was uns Bruder Severin vorhin erzählt hat ... da habe ich großen Zweifel daran, daß die Botschaft, die ich im Auftrag meiner Kirche verbreiten soll, der Wahrheit entspricht!«
»Nur weil Severin diese Sache mit der Höllenerde ... deshalb willst du kein Priester mehr sein?«
»Vergiß nicht, was wir schon vorher herausgefunden hatten.«
»Was meinst du?«
»Denk an die offizielle Geschichte mit der Kreuzigung von Jesus... und an die Bilder, die seinen Zwillingsbruder zeigen ... und die vielen Hinweise aus den Schriften, daß nicht er, sondern sein Bruder gekreuzigt worden ist.« Er seufzte, besah sich das Kruzifix, das er in der Hand hatte und legte es zurück in die Kiste. »Warum wird denn ausgerechnet von den Tempelrittern, die ihr Leben für unseren Glauben im Heiligen Land riskiert haben, berichtet, daß sie das Kreuz des Herrn mit Füßen getreten und bespuckt haben ... und daß sie Christus geleugnet hätten? Du hast mir doch selbst von diesen Verhörprotokollen der Inquisition erzählt.«
Er sah sie entschlossen an. »Für mich ist jetzt Schluß damit! Es gibt so viele Ungereimtheiten, daß ich gar nicht mehr weiß, wo ich mit meinen Zweifeln anfangen soll ... Und obendrauf jetzt Severins Erkenntnis ... daß wir alle hier zusammen mit dem Teufel in der Hölle sitzen ... weil wir im Himmel einstmals ungehorsame Engel waren!«
»Du glaubst ihm also wirklich?« skeptisch blickte sie auf.
»Sieh dir das Grauen in der Welt an«, er wandte sich wieder der seltsamen, mit den Kruzifixen gefüllten, Holzkiste zu, »von allen Dingen, die ich in meinem Leben gehört habe, ist das die beste und einfachste Erklärung für alle Grausamkeiten auf dieser Erde. Und die genialste Antwort auf die Frage: › Wie kann Gott das zulassen?‹ Oder? Wir befinden uns im Einflußbereich Luzifers und seiner Helfer!« Er seufzte. »Ja ... ich glaube ihm ... schweren Herzens ...«
»Und was hat das alles nun mit den Kruzifixen hier
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