Seelenbrand (German Edition)
langzuziehen.
»Schluß!« befahl Pierre und drehte ihr den Arm auf den Rücken.
»Aua!« fauchte sie. »Bist du verrückt?«
»Ich habe dir gesagt ...«, Pierre sah sie streng an und sprach jetzt deutlich und nachdrücklich, »... du sollst dich hinsetzen und zuhören!«
Sie zuckte noch mal widerspenstig und gab dann – unter deutlichem Grollen – nach. Vorläufig jedenfalls ...
»Sie hatte noch kein Frühstück!« lächelte Pierre entschuldigend zu von Rittenberg hinüber, der sich allmählich von seinem Schrecken erholt hatte und sich seine kleine Brille wieder aufsetzte. »Und da ist sie immer ein bißchen übelgelaunt!«
»Frühstücken Sie Skorpione, meine Liebe?« piepste er sie aus sicherer Entfernung an.
»Sie! Sie ...« Sie wollte sich schon wieder mit aller Gewalt losreißen. »Aua! Mein Arm! Spinnst du?« Wütend blickte sie Pierre an, auf dessen Schoß sie immer noch saß.
»In Anbetracht Ihres Verhaltens bin ich mir nicht mehr so sicher«, von Rittenberg sah wieder in sein Notizbuch, »... ob sich Maria Magdalena wirklich von Jesus ... getrennt ... hat, oder ob dieser es vorgezogen hat ... sich ... von seiner Frau zu trennen. Einen möglichen Grund, den er damals gehabt haben könnte, haben Sie uns ja gerade eindrucksvoll vor Augen geführt.«
»Warum erzählen Sie uns diese Dinge überhaupt?« fragte Pierre schnell dazwischen, bevor sich die beiden Streithähne wieder ineinander verbissen.
»Ja, genau!« fuhr Marie verächtlich dazwischen. »Aua!« Pierre drehte an ihrem Arm. Aber nur zu ihrem Besten!
»Meine Liebe«, von Rittenberg hatte sich wieder in seine arrogante und teilnahmslose Art geflüchtet, »wie ich Ihnen schon vorhin gesagt habe, bin ich der Ansicht, daß die Arbeit unserer Dienststelle in der Öffentlichkeit viel zu wenig gewürdigt wird.«
»Dann veröffentlichen Sie doch alles in der Zeitung!« gab sie patzig zurück.
Die graue Maus mit dem fahlen Schädel verzog angewidert das Gesicht. »Sie vergessen mal wieder, meine Liebe ... daß es mich eigentlich doch gar nicht gibt. Und außerdem würde mir ohnehin niemand glauben.« Er strich sich übers Kinn. »Ich bezweifle sogar, daß man mich überhaupt bis zum zuständigen Redakteur vorgelassen hätte ... Und wenn doch, so hätte dieser mit Sicherheit nach wenigen Minuten die Irrenanstalt informiert.« Er winkte ab. »Sie sehen also ... daß ich mir mein Publikum schon ganz genau aussuchen muß! Und mit Monsieur du Lac«, wohlwollend nickte er an Marie vorbei und versuchte Pierre hinter ihrem Rücken auszumachen, »habe ich eine Person gefunden, die in der Lage ist, meinen Ausführungen zu folgen.« Er sah Marie an. »Was man nicht von jedem hier behaupten kann!«
»Grrr! Aua! Mein Arm!« Sie hatte wieder versucht, sich loszureißen, aber Pierre war auf der Hut.
»Ich finde es einfach unglaublich«, Pierre wollte die Gelegenheit nutzen, um den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen, »daß die Kirche über derartig viele Informationen über das Leben von Jesus Christus verfügt.« Er war wirklich tief beeindruckt ... und erschüttert.
»Ich wußte«, von Rittenberg rückte seine Brille zurecht, »daß Sie ein intelligenter Mensch sind ... der meine Arbeit zu schätzenweiß. Seit Sie Ihren Dienst hier angetreten haben ... bewundere ich die Zügigkeit, mit der Sie Ihre Nachforschungen vorangetrieben haben.«
»Maria Magdalena hat ihn also verlassen?« Pierre wollte von Rittenberg so viele Details aus dessen Notizbüchlein entlocken wie möglich, denn er wußte: Nie wieder in seinem ganzen Leben würde er eine solche Gelegenheit bekommen.
»Oh ja! Wir wissen sogar«, sein Gegenüber nahm das Gesprächsangebot sofort an, »daß sich nach ihrer Trennung in ihrem Umfeld eine regelrechte Diskussion darüber entsponnen hat ... ob diese Ehe zwischen Maria Magdalena und Jesus Christus überhaupt rechtsgültig ... und ob damit deren Kinder überhaupt legitim waren.«
»Warum?« Pierre streckte seinen Kopf hinter Maries Rücken hervor.
»Weil Maria Magdalena – nach unserem Wissen – schon einmal verheiratet gewesen war.«
»Sie war also eine ... geschiedene Frau?«
»Ja!«
»Es ist einfach unglaublich ... welche Einzelheiten Sie zutage gefördert haben!« flüsterte Pierre, während er Maries Handgelenke wie in einem Schraubstock gefangenhielt. »Das hätte ich mir im Traum nicht vorgestellt!«
Von Rittenberg nickte zufrieden. »Ja. Aber es hat Jahrhunderte gedauert! Viele meiner Brüder haben ihr ganzes Leben in Kellern wie
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