Seelenbrand (German Edition)
diesem hier verbracht ... nur um ein winziges Detail seines Lebens aus irgendwelchen verschimmelten und vergammelten Schriften zu retten.« Er holte tief Luft, so als spüre er die Last der Jahrhunderte auf seinen eigenen Schultern. »Wir wissen sogar ...«, er blätterte wieder, »daß der erste Sohn von Jesus und Maria Magdalena ... der den Namen Jesus Justus trug ... am 1. Juni des Jahres 46 ... an seinem 9. Geburtstag ... in die Schule nach Cäserea gebracht wurde.«
»Ich habe überhaupt noch nie davon gehört, daß Jesus Christus ... Nachkommen hatte!« Pierre kam es so vor, als träume er das alles. Es war einfach unfaßbar.
»Dieser Jesus Justus ... eben dieser erste Sohn von Jesus ... war später zusammen mit Paulus in Rom, als dieser den Brief an die Kolosser schrieb ... So ließ nämlich ein gewisser Jesus Justus damals in diesem Schreiben ... seine Grüße ausrichten. Lesen Siedas ruhig mal nach. Paulus war im übrigen – soviel wir wissen – Lehrer und Beschützer des Jungen.«
»Ich fasse es nicht!« Pierre bekam eine Gänsehaut. »Der Sohn Gottes ... hatte also tatsächlich Nachkommen ... drei Kinder aus Fleisch und Blut?«
»Das ist nicht ganz korrekt, Monsieur du Lac. Wir wissen von mindestens vier Kindern.« Von Rittenberg genoß seinen Auftritt, und Pierre kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Marie war da weniger ergriffen. Ständig ruckte sie mit ihren Armen, um endlich frei zu kommen. Aber Pierre hielt ihre Fäuste sicher hinter Schloß und Riegel.
»Sechs Jahre nach der Geburt seines letzten Sohnes ... mit Maria Magdalena ... heiratete er am 17. März des Jahres 50 ... zum zweiten Male ... und zwar die Purpurhändlerin Lydia aus Thyatira. Sie bringt – soviel wir wissen – im März des Jahres 51 ... eine Tochter zur Welt!«
»Lügner!« fauchte Marie. »Jesus Christus, der Sohn Gottes, hat weder eine geschiedene Frau geheiratet ... noch hatte er vier Kinder!« Sie redete sich gerade wieder in Rage. »Aua! Du brauchst mich gar nicht zu kneifen!« Ihre Augen funkelten. »Von Maria Magdalena geschieden? Ha! Daß ich nicht lache! Und dann sucht sich der Sohn des Allmächtigen ... so mir nichts dir nichts ... eine andere Frau ... und setzt noch ein paar Kinder in die Welt?« Sie war richtig wütend. »Ha! Für wie naiv halten Sie mich eigentlich! Sie dreckiger Lügner!«
»Halten Sie sie bloß fest!« piepste von Rittenberg furchtsam.
»Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen ...«, sie versuchte sich mit aller Gewalt loszureißen, »... wollen Sie uns jetzt auch noch weismachen, daß wir uns hier unten in der Grabkammer von Maria Magdalena befinden? Ausgerechnet bei der Frau ... mit der Jesus Christus ... drei Kinder hatte! Grrrr!« Sie machte eine kleine Pause, um nachzuladen.
»Wenn ich mich nicht täusche, befinden wir uns hier in einem kleinen ... und zugegeben ... lausigen Dorf im Süden unseres schönen Languedocs ... irgendwo in den Pyrenäen ... und Sie wollen uns allen Ernstes erzählen, daß die erste Frau von Jesus Christus keinen besseren Platz auf der Welt gefunden hat ... um sich begraben zu lassen ... als diese Kammer hier? Sie ... Sie ... Lügenzwerg ... Sie!«
Stille!
Von Rittenberg sah schweigend zu Pierre hinüber.
»Irgendwie hat sie in diesem Punkt ausnahmsweise nicht ganz unrecht!« sagte er fast entschuldigend, während er Maries Fesseln lockerte.
Von Rittenberg stöhnte und öffnete eine Schublade seines Schreibtisches. »Können Sie denn niemals nachgeben?« Während er Marie verächtlich ansah, förderte er etwas zutage und legte es vor sich auf die Tischplatte. »Wissen Sie, was das ist?« fragte er schließlich und hielt die kleine rechteckige Holzplatte in die Höhe.
»Nein!« Pierre schüttelte den Kopf. »Hab’ ich noch nie gesehen!«
»Und Sie, meine Liebe?« Er hielt es Marie vor die Nase. »Sie sollten doch eigentlich etwas damit anfangen können!«
»Natürlich weiß ich, was das ist!«
»Natürlich!« wiederholte von Rittenberg arrogant.
»Es ist das Wappen unseres Ortes!«
»Richtig!« Dieser allwissende Zwerg schien erstaunt zu sein, daß Marie ausnahmsweise das tat, worum er sie gebeten hatte. »Haben Sie sich noch nie gefragt ... warum im Wappen Ihres Ortes ausgerechnet ein Davidstern steht ... und sonst nichts?«
»Nein!«
»Sehen Sie!« Von Rittenberg verzog gequält sein Gesicht. »Und das ist genau der Grund, warum ich hier sitze und eine Untersuchung führe, während Sie dort auf dem Zuhörerstuhl
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