Seelenbrand (German Edition)
Handvoll Sterblichen ... die mehr wußten, als alle anderen Bewohner dieses Planeten.
»Maria Magdalena«, fuhr von Rittenberg fort, »war zum Zeitpunkt der Heirat unseren Erkenntnissen nach 27 Jahre alt und hatte damit das übliche Heiratsalter schon weit überschritten. Normalerweise war eine Frau damals bei ihrer Eheschließung zwischen 16 und 20 Jahre alt.«
»Dann ist man in den Augen der Männer als Frau mit 30 Jahren also schon eine Großmutter? Das wollen Sie uns doch wohl damit sagen?« Marie konnte es nicht lassen, diese kindischen Sticheleien von sich zu geben.
Pierre schnaufte und zwang sich ruhig zu bleiben. »Bitte ...«, er machte eine beschwichtigende Geste mit der Hand, »... fahren Sie fort!«
»Wir haben also weiter herausgefunden ... daß am 19. März des Jahres 33 in Ain Feschcha – Ihnen vielleicht besser bekannt als Kanaa – die zweite Ehezeremonie für Jesus und MariaMagdalena stattgefunden hat.« Von Rittenberg blätterte um. »Noch im selben Monat ... wurde er gekreuzigt.« Er hob die Hand, um Pierres Einwurf zuvorzukommen. »Ob er nun das Kreuz überlebte ... weil ein anderer seinen Platz einnahm ... oder weil man seinen Tod durch ein Kräutergift vortäuschte ... das ist unser Ansicht nach völlig ohne Bedeutung ... Wir haben übrigens für beide Versionen die nötigen Belege in unseren Händen!«
Pierre nickte und wartete auf einen Kommentar von Marie ... der aber blieb aus. »Er hat also in jedem Fall überlebt?«
»Das kann man wohl sagen!« Von Rittenbergs Mundwinkel zuckte kurz und wollte damit wohl ein Lächeln andeuten. »Denn im September des Jahres 33 ... kam sein erstes Kind zur Welt. Seine Tochter ... Tamar.«
»Das ist doch einfach ... unglaublich«, flüsterte Pierre und wankte auf seinem Stuhl. »Ich weiß nicht, wie oft ich in meinem Leben schon das Glaubensbekenntnis gebetet habe ... und wenn ich mir vorstelle, daß gerade die Stelle ... aufgefahren in den Himmel ... er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen ... hunderte Male über meine Lippen gekommen ist ... ohne einen einzigen Gedanken des Zweifels ...«
»Es ist ein Schlag! Ich weiß!« Von Rittenberg nickte mitfühlend. Jedenfalls sah es irgendwie so aus. »Glauben Sie nicht ... daß es mir bei meinem Eintritt in die Dienststelle einfach gefallen wäre ... diese Dinge von heute auf morgen zu akzeptieren.« Er machte eine Pause. »Aber ich habe alle Beweise im Zentralarchiv gesehen ...«, piepste er leise. »Es gibt absolut keinen Zweifel!« Er blätterte einige Seiten weiter. »Genauso wenig Zweifel haben wir, daß im Juni des Jahres 37 ... also 4 Jahre nach seiner Kreuzigung ... sein erster Sohn mit dem Namen Jesus Justus geboren wurde. Und im März des Jahres 44 ein zweiter.«
Jetzt hielt es Marie nicht mehr auf ihrer Kiste. Sie sprang auf und stellte sich mit in die Hüften gestemmten Armen vor von Rittenbergs Schreibtisch. »Und jetzt wollen Sie uns wohl auch noch erzählen, daß sie alle glücklich bis an ihr Ende gelebt haben?« Hämisch hackte sie nach. »Und wenn sie nicht gestorben wären, dann lebten sie noch heute!«
Von Rittenberg ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er nahm seine kleine, silberne Brille ab und legte sie langsam zur Seite. »Das ist leider nicht korrekt, meine Liebe. Denn nach der Geburtdes dritten Kindes ... und damit des zweiten Sohnes ... entschloß sich Maria Magdalena im Jahre 44 ihren Ehemann Jesus zu verlassen!«
Maries Entrüstung hatte mit diesem Satz ihren Siedepunkt erreicht, und von Rittenberg wich hinter seinem Schreibtisch schon mal instinktiv zurück. »Sie halten mich wohl für schwachsinnig!« schrie sie völlig außer sich. Und so wie es aussah, hatte sie gerade den dummen Entschluß gefaßt, der grauen Maus an den Kragen zu gehen.
»Halten Sie sie fest!« piepste von Rittenberg hysterisch in die Luft, aber ohne nach seiner Waffe zu greifen.
»Wirst du wohl!« Pierre streckte seinen Arm aus und griff sie ruppig von hinten am Hosenbund. »Hinsetzen und zuhören!« Mit einem deutlichen Hauch von Gewalt zog er sie zu sich auf seinen Schoß.
»Laß das!« fauchte sie zappelnd und versuchte sich zu befreien.
Von Rittenberg tupfte sich die Stirn ab. »Da sitze ich ja lieber zweihundert Jahre in einem dunklen Keller ... als nur einen Tag mit dieser ... Person ... zusammensein zu müssen!«
Marie schnaufte vor Wut und wollte sich nach dieser Bemerkung erst recht mit aller Kraft losreißen, um diesem Giftzwerg endlich seinen Kragen
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