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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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zottelige Kerl wollte sich wohl selbst davon überzeugen und stieg kurzerhand in den Schrank.
    »Und jetzt?« Geduldig sah er dem sabbernden Vierbeiner zu, der nun unschlüssig dastand und ihn wedelnd anblickte. Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Ausgang.
    »Komm, wir gehen!« Wenn auch schwerfällig, so gehorchte das Tier doch sofort und trottete neben ihm durch den Mittelgang zurück bis zur Kirchentür, an der Bruder Severin immer noch wartete. Die warme Sommersonne nahm ihn sanft in Empfang, bejubelt vom Zwitschern der Vögel, die seine Rückkehr in diese Welt feierten. Der dunkle Schlund hatte ihn wieder ausgespuckt, ohne daß ihm etwas passiert war. Zu seiner Verwunderung hatte Bruder Severin während der ganzen Zeit vor der Kirche ausgeharrt, ohne auch nur einen Schritt näher zu kommen.
    »Asmodi!« wiederholte er leise und furchtsam, als Pierre auf ihn zuging. »Er ist ein Dämon. Der Hüter der Geheimnisse und der Wächter der verborgenen Schätze. Er soll sogar den Tempel in Jerusalem gebaut haben, wie eine alte jüdische Legende besagt.«
    »Sie wissen eine Menge mehr über meine neue Kirche als ich, Bruder Severin«, entgegnete Pierre, als er der scheuen Gestalt seine Hand reichte. Noch bevor er fragen konnte, was denn dieser Dämon Asmodi in seiner kleinen Kirche machte, hatte Severin wieder das Wort ergriffen.
    »Ich bin hier, um Ihnen das zu geben.« Nervös suchte er etwas in der Tasche seiner zerfetzten Kutte – oder dem, was davon noch übrig war.
    »Kannten Sie den alten Abbé?« fragte Pierre währenddessen.
    Die klapprige Person hörte sofort auf in der zerschlissenen Tasche zu wühlen und erstarrte für einen Moment. Dann zog sie, als hätte sie Pierres Frage gar nicht gehört, ein kleines Fläschchen heraus und öffnete es.
    »Lavendelextrakt!« Mit einer untertänigen Geste reichte er es herüber und deutete mit seinem Kopf zum Pfarrhaus. »Meine Ziegen ... haben doch ... Ihre Blumen ...«, stammelte er hilflos.
    »Eine Wiedergutmachung?« Pierre lächelte ihn aufmunternd an und hielt seine Nase an das Fläschchen.
    »Ja«, nickte Severin eifrig. »Ich sammle schon seit vielen Jahren Kräuter und Blumen und stelle Extrakte und Tinkturen her.«
    »Vielen Dank!« Pierre verschloß das Fläschchen mit dem Duftwässerchen wieder mit seinem Korken. »Ich glaube, es wird mir hier gute Dienste tun, denn in manchen Ecken meiner Pfarrei riecht es ein wenig streng.«
    Severin sah ihn mit großen Augen an und verstand offenbar Pierres Anspielung auf den modrigen Geruch nicht. Vielleicht wollte er sie auch gar nicht verstehen.
    »Nehmen Sie sich in acht ...«, nervös blickte sich der hagere Bruder in alle Richtungen um, »... sonst enden Sie noch so wie unser alter Abbé.« Er schluckte aufgeregt. »Der war genauso neugierig wie Sie und hat dadurch alles zerstört.« Severin sah ihn mit seinen geröteten Augen an. »Er hat uns«, der Kräuterbruder begann zu zittern, »unsere Seelen genommen, und deshalb muß er für ewig auf dem Friedhof herumgehen, um für seinen Frevel zu büßen!«
    Er verstummte, machte eine hastige Verbeugung und verschwand ohne weitere Erklärungen vom Vorplatz der Kirche auf die Straße.

6
    »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Pierre hob den Kopf und sah auf seine Gemeinde. »Der Herr segne und behüte euch auf euren Wegen.«
    Ein kaum hörbares »Amen« der Anwesenden beschloß den Gottesdienst.
    Nur vier Leute waren an diesem schönen Sonntagmorgen gekommen. Marie, Madame Pauline, Monsieur Alphonse, der bei ihr in der Pension wohnte, und der Handwerker Olivier, der seine Tür repariert hatte; sonst niemand.
    Pierre hatte in der Nähe des kleinen, weißen Pavillons im Garten einige Stühle aufgestellt und einen Tisch – mit weißer Decke – kurzerhand zum Altar erklärt. Es war fast Mittag und der alte Baum spendete ihnen angenehmen Schatten an diesem warmen Sommertag.
    Lange hatte er darüber nachgedacht, wo er seinen Gottesdienst abhalten sollte. Die Tür zur Kirche stand immer noch weit offen, um den Gestank entweichen zu lassen, ebenso wie die Tür zum Turm, in dem er das Verlies mit den Bildern gefunden hatte. Dieser Ort, hier in der Mitte des Gartens, an dem sich die weißen Kieswege vor dem Springbrunnen trafen, schien ihm am besten geeignet. Weit weg von den dunklen Gemäuern. Die Kirche, das Pfarrhaus, der Turm und die Villa des alten Abbé, die er sich noch nicht weiter angesehen hatte, bildeten ringsherum die Mauern der Festung, in

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