Seelenbrand (German Edition)
drückte sich dabei verlegen in seinen Sessel.
»Herr von Rittenberg ist ein langjähriger Gast in meinemHause«, half Madame Pauline entschuldigend mit einer Erklärung aus, als sich die fahle Person einfach abwandte, aus dem Fenster sah und keine Anstalten machte, sich weiter an einem Austausch von Höflichkeiten zu beteiligen. »Er wohnt schon, genau wie Monsieur Alphonse, einige Jahre bei mir. Und ...«, sie flüsterte, »er ist immer so verschlossen, nehmen Sie das bitte nicht persönlich.«
Während sich Pierre noch über die unerwartet illustere Runde amüsierte, deutete Madame Pauline auf eine nicht weiter auffällig gekleidete Gruppe von drei Frauen, die schon die ganze Zeit ihre Köpfe zusammengesteckt hatten und über irgend etwas tuschelten. »Die Damen sind vom örtlichen Pfarrkomitee, Madame ...«
Aha! Da sind sie! Pierre hörte gar nicht weiter hin, als Madame Pauline sie der Reihe nach vorstellte. In der Regel ist es genau diese Ansammlung von Klatschmäulern, die Ärger bedeutet! Was die anderen drei exzentrischen Gäste anging, so schien von ihnen keine größere Gefahr auszugehen. Warum sie es sich aber ausgerechnet hier am Ende der Welt gemütlich gemacht hatten, das war wieder eine ganz andere Frage. Ausgerechnet hier? Wieso kam ein Engländer aus London nach Rennes, fernab der Eisenbahn und jeglichen Komforts, um ein paar Fasanen niederzumetzeln, die es garantiert auch in England gab? Diese überkandidelte Opernsängerin war zwar fernab von Paris, aber als eine alte Freundin von Madame Pauline hatte sie die Strapazen der Reise eben auf sich genommen, das war ja auch noch nachzuvollziehen. Aber die Anwesenheit dieses fahlen von Rittenberg war ihm völlig rätselhaft. Wo wollte der denn hier Kunst und Antiquitäten finden? Rätselhaft!
»Der Kaffee!« rief jemand.
Ein wenig geistesabwesend drehte er sich zur Tür, als Marie mit zwei dampfenden Kaffeekannen hereinkam.
»Hallo, Abbé du Lac«, sagte sie freundlich und ohne Scheu vor der Meute der drei Klatschweiber, die jede seiner Bewegungen beobachteten. »Schön, daß Sie die Zeit haben, mit uns einen gemütlichen Nachmittag zu verbringen!«
Da! Dieses Luder! Er hatte doch genau gesehen, wie sie gerade mit einer Augenbraue gezuckt hatte und sich offenbar nur mit Mühe das Lachen verkneifen konnte.
»Setzen Sie sich doch.« Sie deutete dabei auf einen freien Sessel neben dem Pfarrkomitee.
Ja, das hat mir gerade noch gefehlt! Direkt neben der Meute, die eigentlich nur hier war, um ihn zur Strecke zu bringen. Diese Pfarrkomitees waren doch alle gleich!
Jetzt war guter Rat teuer, denn alle warteten nur noch auf ihn, um endlich mit dem Kuchen anzufangen, von dem sich Monsieur Alphonse gerade das zweite Stück nahm. »Da ich es zur Zeit im Rücken habe«, er faßte sich demonstrativ mit einer Hand ins Kreuz, »würde ich mich gern auf einen Stuhl setzen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Dieser hier wäre doch nicht schlecht.« Er griff sich einen der drei Holzstühle, die direkt an der Tür standen, weitab vom Pfarrkomitee, und ließ sich mit einem gespielten Seufzer der Erleichterung nieder. »Aah! Der ist genau richtig. Das ist wirklich eine dumme Sache mit diesem Rücken.«
Marie nahm sich den anderen Stuhl und setzte sich neben ihn an den Tisch. Dabei blickte sie ihn vielsagend an. Sie wußte doch ganz genau, daß er, nachdem sie in der Nacht unter dem Friedhof herumgekrochen waren, gar nichts an seinem Kreuz hatte. Und er wußte, daß sie es wußte! Madame Pauline nahm sich den letzten – den stabilsten aller Stühle im Raum – und zwängte sich neben Marie mit einiger Anstrengung an die Kaffeetafel. Die nette Tante war wohl schon mit dieser Schürze auf die Welt gekommen, denn auch im Kreis ihrer illustren Gäste machte sie keine Anstalten sich umzuziehen. Sie war scheinbar immer im Dienst, als Pensionswirtin.
Jetzt bestimmte erst einmal das Klimpern der Kuchengabeln und das Scheppern des Porzellans die Szene. Die Leute unterhielten sich, wie an solchen Veranstaltungen üblich, mit ihrem Nachbarn. Er begann sich gerade zu entspannen und genoß seine Tasse Kaffee.
»Wie kann es sein, daß ein junger Mann wie Sie schon Rückenschmerzen hat?« kam es unvermittelt aus der Ecke des Pfarrkomitees.
Aha! Jetzt geht es los. Es wäre ja auch zu schön gewesen. Pierre ließ sich Zeit und nahm erst ein großes Stück Kuchen in den Mund ehe er aufblickte. Er wußte zwar nicht, welche dieser Damen – sie mochten alle um die Siebzig sein – ihm
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