Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
Vom Netzwerk:
die Frage hingeworfen hatte, aber sie sahen ohnehin alle gleich aus. Das gleichemürrische Gesicht und unübersehbar ... denselben Friseur.
    Noch ehe er etwas antworten konnte, mischte sich eine andere des Komitees ein. »Also, meine Schwester«, sie schob sich ein dickes Stück Sahnekuchen in ihren faltigen Mund, »hat’s schon dreißig Jahre am Rücken«, fuhr sie mampfend fort, »und das sind S c h m e r z e n!« Sie zog ein Gesicht, als würde sie selbst gerade vor aller Augen bei lebendigem Leibe gevierteilt.
    »Ich hab’ es ja auch schon seit zwanzig Jahren am Arm!« mischte sich eine dritte ein. »Ich kann euch sagen«, sie gab sich die größte Mühe, die Schmerzensmiene ihrer Nachbarin noch zu übertreffen, »da geht gar nichts mehr. Monatelang hab’ ich schon nicht mehr geschlafen.« Sorgenvoll schüttelte sie vor Selbstmitleid ihren Kopf. »Nein, nein, wie soll das nur enden?«
    Pierre sah unauffällig zu Marie herüber, die neben ihm in einem Stück Sahnetorte stocherte. Sie bemerkte seinen Blick und blinzelte ihn kurz mit auffällig rotem Gesicht an. Zuerst begriff er nicht ganz ... doch dann sah er ... sie konnte ihr Lachen kaum noch zurückhalten. Sie hatte also genau gewußt, was ihn hier erwartete und amüsierte sich köstlich.
    »Sie müssen Ihren Rücken immer schön warm halten, junger Mann!« gab eine andere ihren Kommentar ab.
    »Danke für den Rat! Das werde ich mir merken!« Er lächelte höflich und nickte in die Alte-Tanten-Ecke hinüber. Oh, Mann! Das wird ein zäher Nachmittag!
    Marie konnte sich kaum noch halten und legte sich die Hand vor den Mund, eine Träne rann ihr über die Wange. »Ich hol’ noch Kaffee aus der Küche, Tante!« Sie erhob sich und verschwand hastig durch die Wohnzimmertür.
    Pierre entspannte sich wieder. Wenigstens war das hier nicht eine jener Veranstaltungen, bei der er schon in den ersten Minuten auf dem Seziertisch – oder Kaffeetisch – lag. Während sich das plappernde Pfarrkomitee weiter über die schlimmsten gesundheitlichen Heimsuchungen grauste, beäugte er unauffällig die übrigen Anwesenden. Der Engländer Higgins saß bewegungslos in seinem großen Sessel – etwas abseits – und paffte in Gedanken versunken an seiner Pfeife. Dieser seltsame von Rittenberg beobachtete ebenfalls heimlich die Runde und schob sich, wie eine Maus, ein winziges Stück Kuchen zwischen seine schmalen Lippen. Als sich ihre Blicke trafen, lächelte er undurchsichtigund nickte kurz. Komischer Mensch! Die Opernsängerin unterhielt sich mit Madame Pauline sinnigerweise über die neueste Mode aus Paris und steckte sich ein Zigarillo nach dem anderen an. Monsieur Alphonse aß schweigend, aber lächelnd, bestimmt schon sein x-tes Stück Sahnetorte, wenn man nach seinem verschmierten Schnurrbart ging. Im Grunde war er hier überflüssig. Und Marie hatte sich auch noch verdrückt. Aber eigentlich konnte er doch froh sein, daß niemand etwas von ihm wollte.
    So registrierte auch keiner der Anwesenden, daß er sich erhob und mit seinem Teller den Raum verließ. Dem Kaffeeduft folgend fand er sich prompt in der Küche wieder, in der sich Marie immer noch an der Herstellung der schwarzen Brühe zu schaffen machte. Als sie ihn sah, brach sie in schallendes Gelächter aus und riß sich, weil sie nicht mehr aufhören konnte, die Hand vor den Mund.
    »Den Rücken warm halten, junger Mann!« Mehr bekam sie nicht heraus und mußte sich förmlich kugeln vor Lachen. »Wissen Sie, Abbé ...«, sie riß sich kurz zusammen und wischte sich ihre Tränen ab, bevor sie wieder gackern mußte – Pierre wartete unterdessen immer noch auf das Ende des Satzes –, »... wissen Sie ...«, setzte sie noch einmal prustend an, »... daß Sie gerade von unserem Pfarrkomitee da draußen adoptiert worden sind?« Sie schnappte nach Luft. »So wohlwollend haben sie noch niemanden behandelt!« gluckste sie. »Und das alles nur wegen Ihres schlimmen Rückens!« Sie wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Was meinen Sie? Ich verstehe nicht ganz!« schmunzelte er. Ihre Ausgelassenheit begann schon auf ihn überzugreifen.
    »Na, Sie hätten als Pfarrer keine frommeren oder eindringlicheren Worte finden können, um vor deren Augen Gnade zu finden.« Marie konnte sich immer noch nicht beherrschen. »Auch wenn Sie es noch nicht wissen«, sie nahm ein weißes Spitzentaschentuch aus ihrer Hosentasche, um sich die Augen zu tupfen, »aber das war gerade Ihre offizielle Einsetzung als Pfarrer unseres Dorfes!

Weitere Kostenlose Bücher