Seelenbrand (German Edition)
Genehmigt, und für gut befunden von der wohl gnadenlosesten und kritischsten Instanz der ganzen Gegend!«
»Die alten Drachen da draußen«, flüsterte er und deutete in Richtung Wohnzimmer, »entscheiden also, wer hier gern gesehen ist und wer nicht?«
»Genau!« Sie hatte sich mittlerweile ein wenig beruhigt und zupfte sich ihre Haare zurecht. »Und dabei hat der Oberdrache noch nicht mal ein Wort gesagt.«
»Ist das ein gutes Zeichen?« flüsterte er.
»Das werden wir gleich sehen.« Nachdem sie sich mit einem kurzen Blick vergewissert hatte, daß ihre Haare und ihre frisch gesteifte Bluse korrekt saßen, nahm sie die dampfenden Kannen. Kurz vor der Tür zum Flur räusperte sie sich und richtete sich kerzengerade auf.
»Kommen Sie, Abbé, wollen wir doch mal sehen, was noch passiert.« Sie mußte schon wieder kichern. Als sie das Wohnzimmer betraten, war der Raum von ungehemmtem Geschnatter erfüllt, so, wie es bei solchen Veranstaltungen üblich war.
Plötzlich ... Totenstille! Alle sahen zu ihnen herüber, noch bevor sie sich wieder an die Tafel setzen konnten.
»Gut, daß Sie da sind, Abbé du Lac!« erhob jetzt eine bislang schweigende, weibliche Person des Pfarrkomitees ihre Stimme.
Marie boxte ihn mit ihrem Ellenbogen deutlich in die Seite. Aha! Das war also der Oberdrache! Äußerlich unterschied er sich nicht von den anderen. Sie hatten alle ihre langen, grauen, zum Teil weißen Haare in einem Knoten streng nach hinten gebunden, so daß ihre faltigen und griesgrämigen Gesichter besonders giftig wirkten.
»Als Vorsitzende des Komitees unserer Gemeinde«, sie sprach auffallend artikuliert, »muß ich Ihnen mitteilen«, Marie boxte ihn wieder in die Seite, »daß wir den Zuständen in Ihrem Pfarrhaus nicht länger tatenlos zusehen können!«
Ach du lieber Himmel! Pierre sah alle großen und kleinen Sünden, die er vielleicht begangen haben konnte, an seinem geistigen Auge vorbeirasen. Eine gewisse Nachlässigkeit in seinen pastoralen Pflichten ... ja vielleicht konnte man ihm das vorwerfen, aber ein Gemeindeleben gab es bis dato ja ohnehin nicht, und was sollte er denn machen, wenn sich die zweihundert Seelen hier weigerten, mit ihm zu reden. Oder hatten sie Wind davon gekriegt, daß er gestern mit Marie auf dem Friedhof war. Oder ... Oh Gott, oh Gott – dieser Gedanke war ihm der unangenehmste – hatte er sich Marie gegenüber etwa unangemessen verhalten und sie dadurch in eine schwierige Situation gebracht? Aber nein! Sie war eine nette, stets gutgelaunte Person, die ihm seinen Dienstantritt indiesem Loch erheblich erleichtert hatte. Mehr nicht! Vielleicht war sie ein wenig neugierig, aber das stand ja hier nicht zur Debatte.
»Wir haben deshalb beschlossen«, der Oberdrache sah in die schweigende Runde, Higgins hörte auf zu paffen und hielt die Luft an, »daß Sie eine Haushälterin brauchen!«
Pierre war wie gelähmt, denn der Schuß kam aus einer völlig anderen Ecke, als er erwartet hatte. Ein undefinierbares »Ja!?« war das einzige, was ihm jetzt auf die Schnelle einfiel.
»Sie brauchen jemanden, der für Sie putzt, wäscht und das Essen macht«, fuhr der Oberdrache mit schneidender Stimme fort. »Männer sind für so etwas völlig ungeeignet!« Das Komitee nickte einmütig.
Um Gottes willen! Jetzt erst erkannte er, daß die Gefahr immer noch nicht vorbei war und ... er raste immer noch mit Volldampf auf den Abgrund zu! Sie wollen mir einen dieser Drachen ins Pfarrhaus setzen! Einen eigenen Hausdrachen, der nichts weiter im Sinn hat, als mich zu beobachten und zu drangsalieren.
»Aber ...«, er sog sich schnell ein paar Worte aus dem Gehirn – sie hatten ihn wahrlich auf dem linken Fuß erwischt –, »... bislang habe ich noch nie eine Haushälterin gebraucht. Ich bin doch jung genug, um ... Aua!« Marie hatte ihm derart heftig mit dem Ellenbogen in die Seite gestoßen, daß ihm fast die Luft wegblieb. Grimmig sah er sie von der Seite an.
»Sehen Sie, junger Mann«, mischte sich eine Frau aus dem Pfarrkomitee wieder ein, »das kommt davon, wenn niemand auf Sie achtgibt!« Der Rest der Drachen nickte einmütig. »Ich gebe Ihnen einen Kräuterextrakt von Bruder Severin für Ihren Rücken. Und das in Ihrem Alter!« Mitfühlend schüttelte sie den Kopf und überließ dann der Obervorsitzenden wieder das Wort, die ebenfalls ihren Kopf schüttelte.
»Also in Anbetracht Ihrer Verfassung«, holte die Alte gefährlich weit aus, »halten wir es für unaufschiebbar, daß die Haushälterin
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