Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
nichts Menschliches anhaftete und die blaue Nebelschwade wurde in den Boden gesogen. So als hätte eine unsichtbare Macht nach ihr gegriffen und sie mit sich gezogen.
Sie konnte, und vielleicht wollte sie auch gar nicht mehr verstehen, was da vor sich gegangen war. Geschockt und völlig verängstigt wollte Mia zurückweichen. Nun war es ihr eindeutig zu viel Adrenalin, das da durch ihre Adern tobte und wie Feuer ihr Inneres zu versengen drohte.
Sie wollte nur noch eines. Fort!
Fort von diesem durch und durch bösen Ort, an dem Dinge vor sich gingen, für die es keine Erklärung gab und die bar jeglichen menschlichen Verstandes waren.
Zittrig suchten ihre Beine nach festem Untergrund. Doch in diesem Moment verlor sie teils aus Unachtsamkeit, teils aus Panik das Gleichgewicht. Der Kindereimer fiel scheppernd zur Seite und sie fiel mit einem Rumms auf die Knie.
Eigentlich kein lautes Geräusch, doch in der absoluten Stille der Nacht gerade laut genug, um es nicht überhören zu können.
Mia rappelte sich auf, ihr Kopf flog gehetzt nach oben, mit der stillen Bitte, dass ihre Anwesenheit doch unbemerkt geblieben war.
Doch ihre Bitte wurde nicht erhört.
Eine der Gestalten stand am Fenster, die dunkle Kapuze tief ins Gesicht gezogen und stierte auf sie herab.
Flucht!
Mia begann zu laufen.
Nichts wie raus aus diesem verfluchten Park. Aus dieser verfluchten Stadt!
Da sie jedoch scheinbar alles andere als Multi-tasking-fähig war und somit Laufen und Überlegen nicht unter einen Hut zu kriegen war, entschied sie sich für die völlig falsche Richtung. Sie rannte nicht aus dem Stadtpark, sondern mitten in ihn hinein, sozusagen in dessen Herz. Unter den Bäumen im Park herrschte tiefe Dunkelheit. Nur durch einzelne Blattlücken schaffte es das Mondlicht, sich seinen Weg auf die Erde zu erkämpfen.
Es war totenstill. Eigentlich zu still für eine Sommernacht.
Kein Rascheln, wenn ein sanfter Wind durch die Blätter der Bäume fuhr. Kein Knacken im Dickicht, was auf die Existenz von nachtaktiven Tieren hinweisen würde.
Nichts!
Nur diese alles umgebende Stille. Als hielt die Welt die Luft an. Als stünde die Zeit still.
Mia hörte das laute Schnaufen hinter sich und spürte den Atem der Verfolger in ihrem Nacken.
Weißer Nebel zog auf, gefärbt von blauem Licht. Es flackerte kurz, dann erlosch es.
Und genau an der Stelle, an der Aleksander sie erst geküsst und dann vor den Kopf gestoßen hatte, kam es zum Eklat.
Mia saß in der Falle. Vor ihr die Steinbank und dieser dämliche Fluss.
Noch ehe Mia sich entscheiden konnte, ob ein Tod durch Ertrinken dem als Satansopfer vorzuziehen war, hörte sie hinter sich Schritte.
Er war da! Stand direkt hinter ihr! Sie konnte seine Nähe fühlen, seine unheimliche Aura spüren. Somit konnte sie sich weitere Überlegungen, was die Wahl ihres Todes anging, ersparen.
»Deine Zeit ist gekommen. Jetzt rechnen wir ab!«
Eine Stimme wie Samt, doch mit einem gefährlichen Unterton gespickt, der an das Züngeln einer Schlange erinnerte.
Eine Stimme wie … die von Nathan Le Vrai!
Mia drehte sich bebend um. Wenn er ihr schon den Garaus machte, dann wollte sie ihm wenigstens dabei in die Augen sehen.
In seine schönen, silbrig-blauen, eiskalten Augen, in denen sie schon von Anfang an das Funkeln von Mordlust vermutet hatte. Und nun wusste sie auch, woher sie die Farbe der seltsamen Nebelerscheinung kannte. Es war dasselbe irritierende Blau, welches auch die Augen der Le Vrai Brüder aufwiesen.
Aufrecht stand er vor ihr. Völlig gelassen.
Er sah sich bereits jetzt als Sieger eines Kampfes, der niemals stattfinden würde. Denn ein Kampf konnte nur stattfinden, wenn es einen Gegner gab. Doch den gab es nun mal nicht. Es gab nur einen Gewinner und einen Verlierer und beide standen schon im Vornherein fest.
»Zeit, der Welt, so wie du sie kennst, Lebewohl zu sagen, kleine Mia«, zischte Nathan.
Sein schönes Gesicht verformte sich zu einer grimmigen Fratze. Mia presste sich mit dem Rücken an die Mauer, deren Steine noch die Wärme der Sonne gespeichert hatten.
Ein klitzekleiner Trost, dieses warme Gefühl an ihrer kühlen Haut zu spüren.
Mia presste die Lippen zusammen, nahm all ihren Mut zusammen und blickte Nathan direkt in seine gefühlskalten Augen.
Sie wusste, sie würde sterben. Hier und jetzt. In dieser Nacht. In diesem Augenblick.
Doch sie wollte nicht als bettelndes, um ihr Leben flehendes, jämmerliches Häufchen Elend
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