Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
Schritt halten konnte.
Und nach wenigen Metern musste Mia ihre Gegenwehr aufgeben und sich auf den Weg vor ihr konzentrieren. Ein Gewirr aus Zacken und Kanten. Ein Irrgarten aus Fels und Splitt. Sie schlitterte mehr, denn sie ging auf dem unebenen Untergrund.
Dagegen ist der Abstieg auf der Geröllhalde der reinste Sonntagsspaziergang gewesen.
Rasierklingenscharfe Kanten bohrten sich in Mias Fußsohlen und ritzten ihr Fleisch bis auf die Knochen. Das Blut quoll durch ihre Zehen und machte die ohnehin schon losen Steine rutschig wie Seife.
Und hätte Nathan sie nicht gehalten, so wäre ihr die Begegnung mit dem Höllenfürsten erspart geblieben. Und Mia überlegte, ob das nicht vielleicht sogar die bessere Alternative wäre.
Immerhin besaß sie eine Seele. Noch! Und so widerwärtig hatte sie sich in ihrem Leben auch nicht verhalten, dass ihr nach ihrem Tod ein Leben in Verdammnis drohen könnte.
Und in Mia fraß sich der Gedanke fest, ob es nicht wirklich besser wäre, sich hier in den Tod zu stürzen und anschließend im Fegefeuer auf einen Platz im Himmel auszuharren, als auf ewig als seelenloses, psychisches Wrack hier im Dunklen vor sich hinzuvegetieren.
Doch als hätte Nathan ihre Gedanken erraten, erhob der Sohn des Teufels seine Stimme.
»Falls du gerade mit dir und deinem Karma haderst, ob es die bessere Alternative wäre, einen Freiflug zu unternehmen, rate ich dir dringend ab, mein Täubchen.
Selbstmord ist Mord.
Ein Mord an deinem Körper.
Es ist Menschen nicht gestattet, ihren eigenen Todeszeitpunkt zu bestimmen. Dazu dienen höhere Mächte. Also mach dir nicht die Mühe, denn dies würde dich unweigerlich wieder hierher führen. Zu mir!«
Nathan zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Glaube nur nicht, dass ich dir das erzähle, weil ich dich so unheimlich gerne habe. Für dermaßen sentimentale Dinge scheint Aleksander zuständig zu sein. Der einzige Grund meiner Erläuterung besteht darin, dass es sehr ärgerlich für mich wäre, mir auf die Schnelle eine neue Seele suchen zu müssen.«
»Welchen Grund sollte es für dich auch sonst geben«, presste Mia hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Gut, dass wir uns verstehen!«
Taumelnd brachte Mia die letzten Meter bis zum Tal hinter sich. Nicht, dass sich dieses von der vorherigen Felsenlandschaft sehr unterschied, es war nur ebener. Enge, verschlungene Wege wanden sich spiralenförmig durch dunkle Gesteinsbrocken. Zwischen den Felsen stiegen immer wieder Schwefelrauchsäulen auf und schwängerten die Luft mit ihrem penetranten Geruch.
Nathan führte Mia am Rande des Feuerflusses entlang. Gerade soweit von ihm entfernt, dass die Funken und Flammen ihrer Haut nicht schaden konnten.
Dennoch ging eine solche Hitze von dem Inferno aus, dass es Mia schier die Luft zum Atmen nahm. Des Weiteren musste sie, im wahrsten Sinne des Wortes, höllisch aufpassen, nicht mit dem pechschwarzen Gestein in Berührung zu kommen, denn die sahen nicht nur so aus, sondern fühlten sich auch an wie glühende Kohlen.
Plötzlich und abrupt endete der Strom. Er hörte einfach auf, obwohl die züngelnde Brühe durch das Flussbett schoss und sie sich, der Logik zur Folge, zumindest in einem Becken oder Feuermeer hätte sammeln müssen.
Eine steile Felswand bildete den Abschluss. Darin eingelassen eine rabenschwarze Tür, aus irgendeinem Metall, das Mia nicht kannte. Es funkelte in sich und verbreitete ein eigentümliches, silbernes Licht.
Nathan verbeugte sich theatralisch und streckte ihr die Hand entgegen.
»Tritt ein, kleine Mia. Durch dich erhalte ich meinen rechtmäßigen Lohn. Den Platz, als Herrscher des Limbus, der mir als Gewinner in diesem teuflischen Spiel zusteht. Du bist das letzte, das besondere Geschenk für meinen Vater. Denn von dir erhält er nicht nur die Seele, sondern auch deinen Körper, der ihm leider von den anderen Opfern noch eine Weile verwehrt bleibt.«
Mia nahm all ihren Mut zusammen und ignorierte ihre schweißnassen Hände, den rasenden Puls und den Knoten in ihrem Hals. Sie trat vor Nathan und sah im kerzengerade in die Augen.
In diese Augen, von denen sie nicht lassen konnte.
Die einen magisch anzogen und gefangen nahmen.
Die Augen, die einem den Verstand raubten, bei deren Anblick man nicht mehr Herr über sein eigenes Denken und Tun war.
Die Augen, die auch Aleksanders Augen waren.
»Ich werde niemals freiwillig sagen, dass ich dich liebe, Nathan Le Vrai!«
Sie sagte die Worte langsam
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