Seelenfänger
der Boden unter Zacharias’ Füßen erzitterte.
»Ich habe nie etwas davon gehalten, dass die Patienten direkt vorher vom Kontakt erfahren«, sagte er. »Es gibt ih nen Gelegenheit, sich vorzubereiten, ob Tetranol oder nicht. Es ist besser, die Verbindung herzustellen, wenn sie nicht direkt damit rechnen. Das macht es leichter für uns.«
»Du schaffst es«, sagte Florence. »Du wirst immer besser.«
Zacharias lächelte erneut. »Spricht da die Therapeutin, die mein Selbstbewusstsein stärken will, oder …?«
»Lass dich nicht ablenken«, mahnte Florence. »Von nichts. Erinnere dich an Lingbeek. Zuerst die Aufgabe, Zach.«
Sein Lächeln wuchs in die Breite. »Lingbeek … das ist eine Ewigkeit her; damals war ich jung und unerfahren.«
»Und heute bist du alt und reif, ja?«
Zacharias ging nicht darauf ein. »Wenn wir dies erledigt haben, könnten wir noch ein wenig bleiben. So wie beim letzten Mal. Niemand braucht zu wissen, wie lange es gedauert hat. Wir nehmen uns ein wenig Zeit …«
»Pass auf!«
Aus dem Augenwinkel bemerkte Zacharias eine Bewe gung. Ein hoher Erker löste sich von dem Gebäude, an dem sie gerade vorbeikamen, und stürzte in die Tiefe.
»Schließ die Augen, Flo.«
Sie kam der Aufforderung sofort nach.
Zacharias beobachtete den tonnenschweren Erker, der wie eine steinerne Faust auf sie herabschlug, und dachte: Es gibt dich nicht; du kannst mich nicht von deiner Existenz überzeugen.
Es krachte, der Boden erbebte heftiger, Steinsplitter flogen umher, und es wogte Staub, so dicht, dass Meer, Strand und Gebäude für einige Sekunden hinter einem Schleier grau wie der Rest der Welt verschwanden.
»Das Trauma versucht sich zu schützen«, sagte Zacharias und ging weiter, Florences Hand noch immer in der seinen.
Sie hob die freie Hand zum Interface. »Die Sensoren registrieren stärkere Hirnaktivität. Herzschlag und Atmung werden schneller.«
»Er schläft, aber sein Unterbewusstsein ist hellwach.« Zacharias blickte über die Fassaden, suchte nach Hinweisen und verließ sich dabei auf seinen besonderen Instinkt.
»Wir sind hier nicht unverwundbar«, sagte Florence mit einem leisen Vorwurf in der Stimme. »Du bist besser geworden, Zach, aber du machst noch immer den Fehler, gelegentlich in deiner Wachsamkeit nachzulassen. Denk an Helen und Duke. Sie sind ebenfalls unvorsichtig gewesen und haben drei Monate gebraucht, um den Schock zu überwinden. Von Penelope ganz zu schweigen.«
Penelope, dachte er, während er die Suche nach der nächsten Tür fortsetzte. Santa Maria. »Weißt du, was mit ihr passiert ist?«
Sie schritten über den Strand, über knirschenden, äch zenden Kies, während links von ihnen das wütende Meer donnerte und die Sonne blutrotes Licht auf den Strand warf.
»Such die Tür, Zach.«
»Ich suche sie, Flo, ich suche sie. Aber du hast Penelope erwähnt und mich neugierig gemacht. Was ist mit ihr passiert? Seit drei Jahren liegt sie im Bett, nicht wahr? Angeschlossen an Maschinen, die sie am Leben erhalten. Hat sie einen Schock erlitten wie Helen und Duke?«
Florence sah sich voller Unbehagen um. »Ich weiß, wie gern du redest, wenn wir unterwegs sind, Zach, aber wie gesagt: Du solltest besser aufpassen. Unterschätze die Gefahr nicht. Fühl dich nie zu sicher.«
Ich spreche, weil ich hier sprechen kann, dachte Zacharias und fragte: »Hat sich Penelope zu sicher gefühlt? War sie unvorsichtig? Und wie kam es zur Stigmatisation? Ist sie in einer der Seelen, die sie besucht hat, Jesus begegnet?« Es war scherzhaft gemeint, aber diese Welt, mit dieser blutroten Wunde am leichengrauen Himmel, gab den Worten einen seltsamen Klang.
»Sie war ein Traveller wie du und die anderen …«
»Nein, nicht wie ich«, sagte Zacharias sofort.
Florence verstand ihn und nickte. »Sie lag schon in dem Bett, als ich zur Foundation gekommen bin«, fuhr Florence fort. Der Wind zerzauste ihr das dunkle Haar und ließ die Locken fliegen. Mit Mühe widerstand Zacharias dem plötzlichen Wunsch stehen zu bleiben, die zierliche Frau in die Arme zu schließen und sie zu küssen. Ich würde sie gern umarmen, weil ich sie hier umarmen kann, dachte er. »Und die Male an den Händen erschienen ein Jahr später. Niemand zweifelt daran, dass sie psychogener Natur sind. Helen war die Erste, die sie Santa Maria nannte.«
»Aber was ist mit ihr passiert?«
»Ein Trauma bei einer Behandlung, habe ich gehört«, sagte Florence. »Sie hat versucht, jemanden zu heilen, und dabei ist sie krank
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