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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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hier alles erstarrt ist«, sagte Zacharias. »Er braucht seine ganze Aufmerksamkeit für etwas anderes. Vielleicht bereitet er etwas vor.«
    »Eine Falle?«
    »Vielleicht. Oder er versucht, sich zu verbergen. Aber jetzt entwischt er mir nicht mehr.« Er ging weiter, an den Kellnern vorbei und in den Ballsaal, auf dessen Tanzfläche Dutzende von elegant gekleideten Paaren standen, die Männer in dunklen Anzügen, die Frauen in Abendkleidern. Auch sie bewegten sich nicht und schienen darauf zu warten, dass an diesem stillen Ort erneut Musik erklang und sie den Tanz fortsetzen konnten. »Gib mir den Grundriss, Flo.«
    »Du solltest jetzt besser keine Daten empfangen.«
    »Meine Güte, von wie vielen Kilobyte reden wir hier? Hundert? Zweihundert? Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde!«
    »Jede Datenübertragung gefährdet die Synchronisation, Zach.«
    »Ich komme damit klar, Flo. He, ich habe alles im Griff. Gib mir Telemetrie.«
    Sie gab ihm die Daten, und für einen Moment verschwammen die Gestalten auf der Tanzfläche, als würde man sie durch welliges Glas betrachten, das jemand auf- und abbewegte. Ein Brummen zog durch den Saal, wie von einem Insektenschwarm, und Florence schloss die Hand um das Interface-Äquivalent an ihrem Ohr. Die Verbindung schien zerfasern zu wollen, aber Zacharias hielt sie fest.
    Er war so sehr darauf konzentriert, die Synchronisation mit dem Patienten zu stabilisieren, dass er die Gestalt zu spät bemerkte. Sie kam aus den Schatten links neben dem Eingang, selbst kaum mehr als ein Schemen, huschte ihm entgegen und hob einen im Licht des großen Kronleuchters glitzernden Gegenstand. Eine scharfe Klinge schnitt erst durch die Luft und dann in den Arm, den Zacharias instinktiv gehoben hatte, um den Kopf zu schützen. Er duckte sich zur Seite, als rasiermesserscharfer Stahl Fleisch und Knochen durchtrennte, verbannte den Schmerz mit einem autosuggestiven Befehl aus der Wahrnehmung und sprang, um dem zweiten Hieb, mit der Rückhand geführt, zu entgehen.
    Der abgetrennte Arm fiel zwei Meter entfernt zu Boden, neben der dunklen Gestalt mit dem seltsam leeren, stillen Gesicht. Zacharias achtete nicht auf das Blut, das mit jedem Herzschlag aus seinem Armstumpf spritzte. Er dachte daran, sich zu wehren, hielt plötzlich eine Pistole in der anderen Hand, richtete sie auf die Gestalt und drückte ab, als das Messer erneut nach oben kam.
    Seine Wahrnehmung teilte sich, wie es manchmal während eines Einsatzes geschah, wenn das Tetranol wirkte, wie es wirken sollte, und wenn er in der richtigen Stimmung war, wenn er »auf der Welle ritt«, wie es bei den Travellern hieß. Mit dem einen Auge sah er die Kugel, die den Lauf der Waffe verließ und durch die Luft glitt wie durch Wasser, eine Fahne kleiner Verwirbelungen hinter sich herzog, die Stirn des Angreifers erreichte und ein Loch hineinbohrte. Eine halbe Sekunde später kam sie aus dem Hinterkopf, setzte ihren Flug fort, noch immer silbrig, ohne einen Mantel aus Blut, erreichte die Wand und blieb darin stecken.
    Mit dem anderen Auge sah Zacharias das Haus wie eine detaillierte grafische Darstellung auf einem Computerschirm der Foundation: leicht grünliche, durchsichtige Wände, mit Linien, die Leitungen und Kabel markierten, dahinter Zimmer und Flure mit eingeblendeten Zahlen, die Auskunft gaben über Entfernung, Länge, Breite und Höhe; rote Silhouetten, wo sich Menschen aufhielten; blinkende Warnsymbole, die auf Sicherheitssysteme hinwiesen – vor allem im großen Arbeitszimmer des Westflügels, wo es einen Wandsafe gab –, und blaue Punkte, die den kürzesten Weg zum Ziel markierten.
    Die dunkle Gestalt mit dem leeren Gesicht starrte ihn an, das Loch in der Stirn wie ein drittes Auge, kleiner als die beiden anderen. Sie klappte den Mund auf und sagte: »Wer auch immer du bist, verschwinde von hier.«
    Sie drehte sich um und lief plötzlich dorthin, wo die Kugel in der Wand steckte, sprang daneben in ein Gemälde, das einen würdevollen Mann an einem großen Mahagoni-Schreibtisch präsentierte, und verwandelte sich dort in ein Foto, das neben dem PC-Monitor in einem edlen Rahmen steckte und einen jungen Mann zusammen mit einem Mädchen zeigte, von dem Zacharias plötzlich wusste, dass es die Schwester des jungen Mannes war.
    Erster Schmerz machte sich bemerkbar. Zacharias ging zum abgetrennten Arm, hob ihn auf, hielt ihn an die Schulter und stellte sich vor, wie Stumpf und Arm zusammen wuchsen: Knochen, Muskeln, Sehnen, Adern, alles. Der

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