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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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die Menschen aus dieser Stadt entführt. Durch das Portal. Was mag mit ihnen geschehen sein?«
    »Vielleicht«, sagte Zacharias, »müssen wir es eines Tages öffnen, um Gewissheit zu erlangen und der Gefahr zu begegnen, bevor sie uns erreicht. Bis dahin sollten wir den Zugang blockieren.«
    »Es ist eine Schnittstelle«, überlegte Florence laut. »Das Portal ist eine Schnittstelle. Ein Interface. Und seine Existenz bedeutet, dass es einen Weg auf die andere Seite gibt.«
    Zacharias lachte plötzlich. »Ich würde gern sehen, wie Lily reagiert, wenn sie erfährt, dass sie selbst nur eine virtuelle Realität ist.«
    Florence zog die Stirn kraus. »Zacharias … Wie kannst du es so leicht nehmen und sogar darüber lachen ?«
    »Vielleicht haben mich die Krehel so programmiert?« Er lachte erneut und wandte sich ihr zu. »Flo, mein Schatz, ganz gleich, ob die Botschaft aus der Vergangenheit stimmt oder nicht: Dies ist ein neues Leben für uns. Ein Leben, das wir selbst bestimmen können. Wir können lachen oder weinen, und ich lache lieber.«
    »Das ist die Frage: Wie weit können wir dieses Leben selbst bestimmen?«
    »Flo … Du liegst mit dem besten Traveller der Foundation im Bett. Und Lily hat gesagt, dass sich mein wahres Potenzial gerade erst entfaltet. Wir werden mit allem fertig, keine Sorge.«
    Diesmal sah Florence das Lächeln in der Dunkelheit und erwiderte vorgeblich scharf: »Lieber Himmel, das hat mir gerade noch gefehlt: noch mehr Hochmut. Hast du alle meine Lektionen vergessen?«
    »Ich schätze, sie haben dabei geholfen, uns hierherzubringen. Dies ist der Anfang, Flo, nicht das Ende.«
    Der Klang dieser Worte gefiel Florence, und sie spürte, wie die Sorgen langsam von ihr wichen. Schweigend hörten sie dem Wind zu, wie er leise zwischen den Ruinen der alten Stadt sang, deren Menschen einst von den Krehel verschleppt worden waren, und schließlich schliefen sie ein.

Stimmen in der Nacht
    E twas knackte unter Lucius’ Füßen, und Estell verdrehte die Augen und hob den Zeigefinger vor die Lippen. Sei leise , sagten ihre Gedanken, und er nickte, obwohl er sich zurück ins Haus wünschte. Manchmal hörte er ihre Gedanken so klar und deutlich wie jetzt, wenn sie es wollte. Oft waren sie nur ein Raunen in seinem Kopf, begleitet von Bildern, und das fand Lucius angenehm, denn es bedeutete, dass seine Schwester immer bei ihm war, selbst dann, wenn sie voneinander getrennt waren. Er folgte ihr jetzt durch die Nacht, fort von dem Haus, und Lucius hatte bereits ein schlechtes Gewissen. Ihre Mutter hätte bestimmt nicht gewollt, dass sie allein durch die Nacht schlichen, und der Vater, den sie seit ein paar Stunden hatten, sicher auch nicht.
    »Lass uns umkehren, Estell«, flüsterte er bei der Rampe.
    Sie winkte ihn weiter und zündete unten, im dunklen Gang, eine Öllampe an. Mattes gelbes Licht vertrieb die Schatten.
    »Ich habe Stimmen gehört«, sagte Estell leise. »Im Kopf.«
    »So wie ich manchmal deine höre?«
    »Ja. Komm und hab keine Angst.«
    Für eine Umkehr war es zu spät; allein hätte sich Lucius nicht mehr durch die Nacht zurück zum Haus getraut.
    Hier unten war alles still. Estell zündete auch die Öllampen im Hauptraum an und huschte zum Portal.
    »Die Stimmen, sie kommen von hier«, sagte sie und berührte das graue Oval. Ein Licht erschien, genau in der Mitte.
    »Was machst du da?« Lucius wurde immer unbehaglicher zumute. »Bitte, Estell, lass uns gehen.« Die Bilder, die in seinem Kopf erschienen, gefielen ihm nicht. Manche waren düsterer als die anderen und schienen gar nicht von seiner Schwester zu stammen.
    »Komm«, sagte sie und winkte ungeduldig. »Leg die Hän de auf diese Striche, hier und hier.«
    »Aber warum …«
    »Na los, mach schon«, drängte Estell. Sie schien es plötzlich sehr eilig zu haben.
    Lucius legte die Hände an die Stellen, die seine Schwester ihm zeigte. »Und jetzt?«
    »Wart’s ab.« Estell schien zu lauschen und auch etwas zu hören, obwohl es völlig still blieb, denn sie nickte und berührte andere Striche am Rand des grauen Ovals. Der Lichtpunkt in der Mitte tanzte und wurde heller, so hell, dass Lucius geblendet die Augen schloss.
    Das graue Metall unter seinen Händen vibrierte und bewegte sich.
    Erschrocken öffnete er die Augen wieder – das Portal schwang mit einem dumpfen Knirschen nach innen.
    Dahinter stand jemand in der Düsternis: eine große Ge stalt, die einen langen Kapuzenmantel trug. Langsam streck te sie eine Hand aus.
    Estell

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