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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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geworden. Auch das kann passieren, wenn man nicht aufpasst, Zach.«
    »Hat jemand versucht, in ihr nach dem Rechten zu sehen und sie zurückzuholen? He!« Er wandte sich Florence zu. » Wir könnten es versuchen. Was hältst du davon?«
    »Du bist gut, Zach, aber noch nicht so gut. Es fehlt dir an Disziplin. Vielleicht in einigen Monaten …«
    Das Jucken hinter dem linken Auge wiederholte sich, und Zacharias deutete zur fleckigen Gebäudewand vor ihnen. »Da ist sie, die nächste Tür, gut versteckt. Und die letzte, glaube ich.« Zacharias neigte kurz den Kopf zur Seite, als lauschte er einer Stimme, die ihm etwas zuflüsterte. »Ja, die letzte.«
    Dünne Linien bildeten sich in der Mauer, als Zacharias sie berührte. »Komm schon, zeig dich«, sagte er ungeduldig. »Ich weiß, dass du da bist.«
    Die Linien wuchsen aus der Gebäudefront heraus und in die Breite, wurden zu einer Tür, schmaler als die anderen. Silbrig glänzende Stacheln bildeten sich an ihrer Klinke, fielen aber mit einem Klirren wie von Glas ab, als Zacharias den Blick darauf richtete. Er öffnete die Tür und trat auf eine breite Straße, ihr Kopfsteinpflaster so blutrot wie die Sonne am Himmel über dem tosenden Meer. Rechts und links führte die Straße an Backsteinmauern vorbei, die fast so rot waren wie das Kopfsteinpflaster und sich nach jeweils etwa hundert Metern in grauem Nichts verloren. Auf der anderen Seite, der Tür direkt gegenüber, stand ein breites schmiedeeisernes Tor offen und gab den Weg frei auf eine asphaltierte Zufahrt, die vor einer schneeweißen, im Jugendstil errichteten Villa endete. Mehrere Luxuslimousinen standen dort, und weitere Wagen reihten sich auf dem Parkplatz neben der Villa aneinander.
    Nichts rührte sich. Es war vollkommen still.
    »Das Ziel befindet sich in dem Haus«, sagte Zacharias mit plötzlicher Gewissheit. »Wir sind fast da, Flo.«
    Sie überquerten die Straße – hinter ihnen verschwand die schmale Tür –, schritten durchs Tor und folgten dem Verlauf der Zufahrt. Nichts regte sich, nicht ein einziges Blatt an den Bäumen, die das Asphaltband säumten.
    Rechts neben der Villa, hinter mehreren Büschen und von der Straße aus nicht zu sehen, stand eine Kutsche mit zwei angeschirrten rabenschwarzen Pferden, beide ebenso in Zeitlosigkeit erstarrt wie alles andere, das eine mit gesenktem Kopf, das andere mit einem gehobenen Vorderlauf.
    »Was hat die Kutsche zu bedeuten?«, fragte Zacharias und versuchte, alle seine Gedanken auf die Mission zu fixieren. Florence hatte recht. Es war gefährlich, sich ablenken zu lassen. Unglücklicherweise war es gerade der Umstand, dass er sich frei bewegen und sprechen konnte, der es ihm oft schwer machte, sich zu konzentrieren.
    Florence lauschte kurz dem Flüstern des Interface-Äquivalents. »Die Datenbanken enthalten keine relevanten Informationen.«
    »Und die Villa?«
    »Das Haus seiner Eltern. Er wohnte dort noch, als er den ersten Selbstmordversuch beging.«
    Sie gingen zum breiten, von Säulen gesäumten Eingang des Hauptgebäudes, vorbei an mehreren silbergrauen Limousinen. Neben einem Bentley stand ein älterer Mann in dunkler Livree und hielt, ebenso in einem Moment eingefroren wie die beiden schwarzen Pferde, einen Lappen in der Hand, mit dem er Staub vom Kotflügel geputzt hatte. Zacharias sah ihm in die Augen, fand aber kein Leben darin.
    Als er die Treppe zwischen den beiden Säulen hochstieg und durch die offene Tür trat, spürte er ein Prickeln tief in seinem Innern.
    »Ich hab ihn auf dem Radar«, sagte er. »Er ist im Haus.«
    Er, das war Randolph Amadeus Quint, achtzehn Jahre jung und ein Prioritätspatient der Foundation, eingeliefert vor einigen Tagen, nach seinem dritten Selbstmordversuch. Dass er zu einem PP geworden war, verdankte er seiner Mutter, die Teilhaberin des Philanthropischen Instituts war. Sie besaß Anteile an dem IT-Riesen MS-Oracle, Mitglied des Konsortiums, das den Bau von Sea City finanziert hatte. Mutter Q war so philanthropisch gewesen, ihre Beziehungen spielen zu lassen, um Sohn Randolph Amadeus ganz oben auf die Behandlungsliste zu setzen. Um ihm das Leben zu retten und zu verhindern, dass er noch einmal versuchte, sich umzubringen.
    Auf dem Weg durch den Flur kamen sie an zwei Kellnern vorbei, die sich anschickten, Tabletts mit Dutzenden von Sektgläsern in einen Ballsaal zu tragen. Einer kam gerade durch die Tür der Küche, und der zweite weiter vorn hatte einen Fuß zum nächsten Schritt gehoben.
    »Ich weiß, warum

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