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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Stimme in seinem Innern ermahnte ihn. Ärger auf Florence, das kam nicht infrage. Er verdankte ihr so viel.
    »Hör mir zu, Zach«, sagte Florence im eindringlichen Therapeuten-Ton, und er seufzte innerlich. »Hör mir gut zu. Jemand hat dir zu viel Tetranol gegeben, und deshalb fühlst du dich jetzt wie Gott höchstpersönlich.«
    »Ich fühle mich gut«, wiederholte er und wollte hinzufügen, dass der Fahrer bei der offenen Stahltür wartete, aber Florence fuhr im selben eindringlichen Ton fort:
    »Denk daran, dass wir nicht nur Gefühl sind, sondern auch Verstand, Zach. Erinnere dich an die anderen Reisen, und daran, wohin Übermut führen kann. Ich habe dich immer wieder davor gewarnt. Nur weil sich die Situation jetzt einfach und ungefährlich für dich anfühlt, muss sie nicht einfach und ungefährlich sein.«
    Zacharias grinste einmal mehr. »Nur weil du überall Probleme siehst, heißt das noch lange nicht, dass es auch überall Probleme gibt. Ich bin der Beste, hast du das vergessen?«
    »Zach …«
    Er klopfte ihr auf die Hand und öffnete die Wagentür. »Komm, retten wir Teneker.«

7
    E s war erstaunlich kalt im Tunnel, und auf den nahen Pfützen hatte sich bereits eine dünne Eisschicht gebildet. Florence, die nur ein dünnes Sommerkleid trug, fröstelte fast sofort und rieb sich die Arme. Zacharias streifte seine Jacke ab und legte sie ihr um die Schultern. Er hätte ihrer Kleidung einfach eine gefütterte Jacke oder einen Mantel hinzufügen können, wollte sich aber keine Hinwei se auf angebliche Vergeudung seiner Kraft einhandeln. Außerdem hatte er beschlossen, dies so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, um Florence zu zeigen, wie stark er war – das ist dumm, flüsterte die mahnende Stimme in seinem Innern; das ist unreif und pubertär –, und um endlich mit ihr zusammen sein zu können, irgendwo in einer kleinen, separaten Nische, vielleicht in einer Fraktur mit negativem Ereigniswinkel, damit sie einige Stunden ungestörter Zweisamkeit genießen konnten, während für die Foundation nur wenige Sekunden oder höchstens Minuten vergingen.
    Er schenkte dem jungen Mann mit dem noch immer nassen Haar ein freundliches Lächeln. »Also gut, Kumpel, wo ist Teneker?«
    »Tehnehker«, sagte der Namenlose, drehte sich um, trat steifbeinig durch die offene Tür und ging die knarrende, quietschende Treppe hoch.
    »Die Stufen sind alle gleich beschaffen, Flo«, sagte Zacha rias und nahm ihre Hand. Das matte Licht des Tunnels blieb hinter ihnen zurück, und schon nach kurzer Zeit war es stockdunkel. Zacharias konnte trotzdem sehen, weil er sehen wollte, so einfach war das für ihn, aber für Florence blieb die Finsternis undurchdringlich. »Ich gebe dir Bescheid, wenn sich etwas ändert. Vertrau mir.«
    Eine ganze Minute setzten sie den Weg nach oben fort, und Zacharias hörte – überdeutlich, wie direkt am Ohr – das Klacken ihrer Schritte auf den Stufen und Florences schwerer werdendes Atmen. Er war auch imstande, das Pochen ihres Herzens zu hören, als er sich darauf kon zentrierte, wie einen schneller werdenden Trommelschlag. Und sie spricht davon, dass mein Herz zu schnell schlägt, dachte er.
    »Die Bandbreite der Verbindung mit Lily schrumpft weiter, aber ich bekomme noch immer deine biometrischen Werte, und die spielen völlig verrückt, Zach. Du stehst unmittelbar vor einem Kollaps. Vielleicht sollten wir die Mission abbrechen und zurückkehren.«
    So ein Unsinn, dachte er. Wir sind gleich da. Wir haben es gleich geschafft. »Wieso merke ich nichts davon?«, fragte er. »Mein Interface ist ruhig. Kein Alarm, nichts.«
    »Das hat mich vorhin schon gewundert«, brachte Florence hervor. Sie keuchte jetzt. »Wer auch immer dir die Überdosis Tetranol gegeben hat … Vermutlich hat er auch das Interface manipuliert.«
    »Warum sollte jemand so etwas tun?«, erwiderte Zacharias. Argwohn erwachte in ihm, und er fragte sich, ob Florence, aus welchen Gründen auch immer, ihm den Erfolg bei dieser Mission nicht gönnte. Die innere Stimme, die in eine ferne Ecke seines Selbst gekrochen und noch leiser geworden war, raunte ihm zu: Paranoia kann ein Symptom dafür sein, dass die Tetranol-Phase kritisch wird. Das weißt du doch, du Dummkopf!
    Blödsinn, dachte er und beobachtete inmitten rabenschwarzer Dunkelheit, wie der junge Mann vor ihm den letzten Treppenabsatz erreichte und die Hand nach dem Knauf der Tür dort ausstreckte. Eine Spinnwebe hing daran, und ihre Schöpferin floh in den schmalen

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