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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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brannte ein Feuer, von dem keine Wärme ausging. Der Blick ließ Zacharias frösteln. »Und du bist Zacharias, die große Hoffnung der Foundation.« Bei diesen Worten erklang leiser Spott in seiner Stimme, und Zacharias spürte, wie Ärger in ihm erwachte.
    Der Mann mit dem kurzen weißblonden Haar und den eisblauen Augen ging langsam um ihn herum, und Zacharias drehte den Kopf, nicht um ihn im Auge zu behalten, sondern um herauszufinden, wo sich Florence befand. Sie stand rechts hinter ihm, neben der Tür, und er stellte einen kurzen Blickkontakt mit ihr her. Die Rückversicherung, dachte er, in der Hoffnung, dass sie ihn verstand. Manchmal verstand sie ihn tatsächlich, nicht auf telepathischem Weg, sondern durch Intuition. Sie mochte den Kontakt mit Lily verloren haben, aber er fühlte noch immer das synästhetische Prickeln des RV-Signals unter dem linken Ohr; diese Verbindung bestand nach wie vor.
    Der apathisch in der Ecke sitzende Teneker – sein Haar war noch immer nass, bemerkte Zacharias – klappte plötzlich den Mund auf und sagte: »Ich habe euch gewarnt! Warum habt ihr nicht auf mich gehört?«
    »Ja, er hat euch gewarnt«, sagte Kronenberg und blieb erneut vor Zacharias stehen. »Dafür werden wir noch ein ernstes Wort mit ihm reden müssen.«
    »Was wird hier gespielt?«, fragte Zacharias scharf. Schreck und Schock lösten sich auf, wichen neuer Zuversicht. Die Falle mochte zugeschnappt sein, aber er konnte jederzeit aus ihr entkommen. Er brauchte nur das RV-Signal anzupeilen und zu Teneker zu springen, um ihn mitzunehmen, um zusammen mit ihm und Florence nach Sea City zurückzukehren. »Wer seid ihr? Warum habt ihr Teneker hier festgehalten? Es befindet sich in einem kritischen Zustand.«
    »Oh, es wird ihm gut gehen, sobald er entscheidet, mit uns zu kooperieren.«
    »Er wird sterben, wenn er nicht sofort zurückkehrt«, sagte Florence und kam etwas näher. Gut so, Flo, dachte Zacharias. Sie hatte ihn verstanden! Je näher sie war, desto besser. Nur ein Sprung zu Teneker, zwei Sekunden, mehr nicht; das genügte. Aber vorher gab es vielleicht noch Gelegenheit, Antworten auf einige Fragen zu finden.
    »O nein, er stirbt nicht«, sagte Kronenberg und zeigte ein Lächeln, das Zacharias seltsam fand. »Nicht hier.«
    »Wollen Sie seinen Körper sterben lassen und den Geist hier festhalten?«, fragte Florence.
    »Das ist unmöglich«, entfuhr es Zacharias. »Oder?«
    »Oder?«, wiederhole Kronenberg spöttisch. »Weißt du es nicht? Weißt du so wenig?«
    »Er wird Gelegenheit bekommen, zu lernen und seine Wissenslücken zu füllen.«
    Die Stimme kam aus der Düsternis am anderen Ende des Tisches, und der Mann, der bisher nur eine Silhouette gewesen war, stand auf und kam langsam näher. Es war ein kleiner Mann, kleiner als die anderen, und doch schien er sie zu überragen, denn er war ein geistiger Riese mit einem großen Echo auf Zacharias’ Radar. Ein ähnlich bitterer Geruch wie bei Kronenberg ging von ihm aus, weckte in Zacharias aber keine Assoziationen an dunkle Keller, die zu lange verschlossen gewesen waren, sondern an tiefe Gewölbe, in die sich nie ein Lichtstrahl verirrt hat te. Kronenberg wich beiseite, und der kleine Mann, in eine Aura finsterer Bitterkeit gehüllt, blieb dicht vor Zacharias stehen. Der Schatten eines Barts lag auf Kinn und Wangen, und neben der Nase zeigte sich eine Narbe, die aus einigen Metern Entfernung wie ein Strich unter dem Auge ausgesehen hätte. Die Schultern waren schmal, und der Kopf schien für den dünnen Hals ein wenig zu groß zu sein.
    »Möchtest du lernen, Zacharias?«, fragte der kleine, große Mann. »Möchtest du mehr wissen?« Seine ruhige Stimme versprach Frieden.
    »Was soll ich lernen?«, fragte Zacharias. »Welches Wissen bietest du mir an?« Er spürte vage Benommenheit und begriff plötzlich, dass eine hypnotische Wirkung in den Worten dieses Mannes lauerte, dass der suggerierte Friede den Geist fesseln konnte. »Wer bist du überhaupt?«
    Die Augen des kleinen Mannes schienen größer zu werden, als er sagte: »Man nennt mich Salomo, was auf Hebräisch so viel bedeutet wie …«
    »Der Friedliche«, sagte Florence.
    Zacharias fühlte ihre wachsende Ungeduld – sie standen jetzt nahe genug nebeneinander –, aber er war neugierig geworden. »Warum nennt man dich so?«
    »Weil ich den Frieden bringe, Zacharias«, sagte Salomo und sprach mit einer Ruhe, die die rauen Kanten von Gedanken und Gefühlen glättete. »Ich bin dabei, eine Welt des

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