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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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wir uns Tenekers Fraktur-Versteck nähern«, sagte Zacharias. Der Tunnel erstreckte sich leer vor ihnen, von Deckenlampen in mattes Licht getaucht, das auf großen Pfützen glitzerte. Die Räder des schwarzen Wagens rollten hindurch; Wasser spritzte an die Wände. »Es muss ein verdammt gutes Versteck sein, wenn ihn die anderen Traveller noch nicht gefunden haben.«
    Florence zögerte und lauschte einer Datenstimme. Zacha rias strich ihr über den Kopf und lächelte entzückt, als die Nässe aus ihrem Haar wich. Sieh nur, wozu ich imstande bin, dachte er. Welche Kraft in meiner Hand ruht, und in meinem Willen.
    »Ich bekomme gerade eine Antwort auf die erste Anfrage«, sagte Florence. »Haruko verschwand vor zwei Wochen aus seiner Wohnung in einer Samsung-Nippon-Firmenstadt bei Kyoto. Nichts deutete auf die Anwendung von Gewalt hin. Nach den Aufzeichnungen der Überwachungskameras hätte er sich in dem Apartment befinden müssen, aber es war leer.«
    »Menschen lösen sich nicht einfach in Luft auf«, sag te Zacharias und dachte: Ich könnte es. Ich wäre dazu imstande. Ich könnte mich hier in Luft auflösen und doch existieren.
    »Die Konzernpolizei stellte genaue Untersuchungen an«, fuhr Florence fort. Etwas Farbe war in ihr blasses Gesicht zurückgekehrt, aber sie klang noch immer müde. Das wunderte Zacharias ein wenig. Wieso war sie müde, obwohl er sich so gut fühlte? »Sie fand … nichts. Die Wohnung wurde versiegelt und mit Kontrollsensoren ausgestattet. Und diese Sensoren gaben einige Tage später Alarm.«
    »Weil sich jemand Zutritt verschaffen wollte?«, vermu tete Zacharias. »Vielleicht einer der Entführer, mit einem von Haruko erbeuteten Codeschlüssel?« Er ritt noch immer die Welle der Spekulation. Sein Gehirn spielte mit Möglichkeiten, würfelte sie durcheinander.
    »Die Siegel an Tür und Fenstern waren intakt, als man Haruko in seiner Wohnung fand. Er war geistig verwirrt, und später verletzte er sich mit einem Messer.«
    »Hundertsieben Schnitte«, sagte Zacharias. »Das wissen wir von Anderson.« Der Wagen wurde so langsam, dass das Wasser der Pfützen nicht mehr bis zu den grauen Betonwänden spritzte. Die Abstände zwischen den Lampen an der Decke wuchsen, was bedeutete, dass größere Teile des Tunnels im Dunkeln lagen. Am Rand des Lichtscheins einer Lampe bemerkte Zacharias eine Stahltür in der rechten Wand des Tunnels.
    »Ja«, bestätigte Florence. »Anschließend fiel er ins Koma, und Samsung-Nippon brachte ihn nach Sea City.«
    »Wie kam er in die Wohnung, wenn die Siegel an der Eingangstür und an den Fenstern intakt blieben?«
    »Das haben sich die Konzernpolizisten auch gefragt«, sagte Florence.
    »Und haben sie eine Antwort gefunden?«
    »Nein.«
    »Vielleicht weiß Teneker Bescheid. Vielleicht ist es ihm gelungen, Harukos Gedächtnis anzuzapfen, bevor er sich verstecken musste. Möglicherweise kennt er alle Antworten.« Zacharias grinste erneut. »Dies könnte viel einfacher sein, als wir dachten.«
    »Zach … Mit deinen biometrischen Daten ist etwas nicht in Ordnung«, sagte Florence plötzlich. »Dein Herz schlägt noch schneller als während einer gewöhnlichen Tetranol- Phase, und hinzu kommt eine gesteigerte Aktivität im Hypo thalamus. Du hast ein ausgeprägtes physisches Stress-Syndrom.«
    »Ich fühle mich gut, und alles wird gut«, sagte er.
    Florence sah ihn an; ihre dunklen Augen waren voller Sorge. »Jemand hat dir eine zusätzliche Dosis Tetranol gegeben, Zach, und zwar eine verdammt hohe. Eine unverantwortlich hohe, wenn du mich fragst.«
    »Und wenn schon, ich werde damit fertig.« Er zuckte die Schultern. »Wir befreien Teneker, finden heraus, was mit Haruko geschehen ist, erledigen alles … Und dann haben wir endlich Zeit für uns.« Er schlang erneut den Arm um Florence und beugte sich zu ihr, um sie zu küssen, aber sie wich ihm aus. Warum wich sie ihm aus? Dies alles war doch überhaupt kein Problem mehr. Der Wagen hielt direkt neben der Stahltür, und der Fahrer stieg ungelenk aus, wankte wie betrunken zur Tür und öffnete sie, und dahinter führte eine Treppe nach oben, Zacharias sah sie ganz deutlich, obwohl im Treppenhaus kein Licht brannte, und am Ende der Treppe würden sie Teneker finden, ihn befreien und zusammen mit seinen Antworten zur Foundation bringen. Alles kein Problem. Warum wich Florence ihm aus? Warum bestand sie manchmal darauf, dort Probleme zu sehen, wo es überhaupt keine gab?
    Vager Ärger regte sich in Zacharias, und eine leise

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