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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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jagten Luzia einen kühlen Schauer über den Rücken.
    Schon von weitem konnten die beiden sehen, dass für die Torwache ein langhaariger, recht ungepflegter Bursche verantwortlich war. Mit wütenden Bewegungen stach er in die Säcke, die auf einem wackeligen Handkarren standen und Rüben und Äpfel für eines der großen Patrizierhäuser enthielten. Der Bauer und seine junge Frau, denen das Gefährt gehörte, standen mit gesenktem Kopf daneben. Mit Entsetzen sah Luzia, dass auf dem Karren auch ein kleines Mädchen von vielleicht vier Jahren saß. Nur wenige Zentimeter gingen die Stiche der Hellebarde an dem Kind vorbei. Das Mädchen schrie vor Angst. Schließlich rannte die Mutter zu ihm und
riss das Kind vom Wagen herunter, was den Wachmann nur noch wütender machte. Mittlerweile war Matthias’ Ochsenkarren in Hörweite, und sie konnten vernehmen, wie der Torwächter die Leute anschrie:
    »Aufsässige Bauern können wir in der Stadt nicht brauchen! Und faule Äpfel schon gar nicht!« Wieder und wieder stach er mit der Spitze seiner Hellebarde auf die Säcke ein.
    Und dann bemerkte er Matthias und Luzia, die das Tor fast erreicht hatten.
    Der Torposten drehte sich zu ihnen herum, und Luzia konnte seine blutunterlaufenen Augen sehen. Er hatte offensichtlich getrunken und war über die Maßen streitlustig. Mit einem gebellten Befehl wies er den Bauern an, seinen kleinen Karren zu wenden und ihn seitlich vom Tor abzustellen.
    Dann waren sie an der Reihe. Matthias hielt den Wagen auf der Mitte des Weges an, wo der Torwächter ihnen breitbeinig die Weiterfahrt versperrte.
    »Woher? Wohin?«, wurden sie barsch gefragt.
    Luzia glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Wollte dieser unverschämte Kerl nicht einmal grüßen? Nun, dann musste sie es eben versuchen. Mit ihrem schönsten Lächeln sagte sie:
    »Seid gegrüßt, Torwächter! Wir möchten heute Abend noch in das schöne Ravensburg.« Luzia erstickte beinahe an ihrer Freundlichkeit. Statt salbungsvoller Worte wollten ihr ein paar Zurechtweisungen über die Lippen kommen. Ihre Laune stand auf Sturm.
    Der Torwächter lachte blöde, dabei entblößte er eine Reihe schadhafter Zähne. Der rechte Schneidezahn fehlte. »So, wollt ihr also? Da seid ihr heute nicht die Ersten. Was habt ihr überhaupt in unserer Stadt zu schaffen?«, bellte er gereizt.

    Er trat einen Schritt an den Karren heran, auf die Seite, wo Matthias saß, aber er sah nicht ihn an, sondern musterte Luzia von oben bis unten. Ein hinterhältiges Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Auf einmal kroch Luzia die Angst den Rücken hinauf und ließ ihr eine Gänsehaut wachsen.
    »Wisst ihr eigentlich, dass die Roten einen extra Zoll zu entrichten haben?«
    Luzia erschrak und bedeckte ihr Haar mit dem dünnen Schultertuch. Mit so einem hatte sie es also zu tun. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich Matthias’ Kiefer spannte und er wütend die Zähne aufeinanderbiss. Seine Rechte ballte sich zur Faust.
    Luzia legte ihre Hand auf seinen Unterarm. Dabei schüttelte sie kaum merklich den Kopf. Rasch sah sie sich um. Soviel sie wusste, bewachten die Posten das Tor immer zu zweit. Vielleicht wäre der Kollege dieses Grobians etwas zugänglicher. Doch außer den Bauersleuten, die ergeben neben ihrem Wagen standen, war niemand zu sehen. Nicht einmal die Bettler, die sonst vor den Toren lagen und um Almosen flehten.
    »Absteigen!«, befahl der Wachmann rüde und rüttelte am Wagen.
    Matthias’ Gesicht wirkte so angespannt, dass die dicke, blaue Ader, die über seiner Schläfe verlief, deutlich hervortrat.
    »Bleib ruhig!«, flüsterte Luzia ihm zu. Sie hätte ebenso gern wie Matthias eine Faust im Gesicht des unverschämten Mannes gesehen. Aber das würde ihnen schlecht bekommen. Sie mussten ruhig Blut bewahren.
    Sie war bereits vom Wagen gestiegen, aber Matthias ließ sich unendlich Zeit.

    »He! Wird’s bald, oder soll ich nachhelfen?« Der Wachmann ging zum hinteren Teil des Wagens, öffnete ungefragt die Reisetruhe und stocherte mit seiner Hellebarde hinein. »Was ist das für ein Gerümpel?«
    »Nun, da ich vorhatte, eine Bürgerin der Stadt zu werden, komme ich mit einem Teil meines Hausstandes«, brachte Luzia mühsam hervor. Ihre Hände zitterten vor Wut.
    »So schnell geht das nicht. Zuerst muss ich prüfen, was ihr für einen Mist mitbringt. Also weg da!« Der grobe Kerl schwang seine Waffe, um sie und Matthias auf Abstand zu halten. Dann richtete er die Spitze seiner Hellebarde auf den Reisekorb.

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