Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
Vom Netzwerk:
der Truhe lagen die Abschriften. Sie waren allesamt in Schweinsleder gebunden und aufwendig gearbeitet. Pater Wendel in hatte sicher ein Vermögen dafür bezahlt. Als Luzia die ersten Seiten aufschlug, füllten sich ihre Augen mit Tränen.
    An diesem Mittag servierte Luzia ihrem Onkel die Bodenseefelchen, die ebenfalls in der Truhe gelegen hatten, sorgfältig verpackt, damit sie die kostbaren Bücher nicht beschmutzten. Luzia meinte in dem Fisch den Geschmack der alten Heimat zu schmecken. Sie war ein wenig niedergeschlagen.
    »Du solltest dich über die wunderbaren Gaben freuen und sie dankbar genießen«, versuchte Basilius sie zu trösten.
    »Das tue ich ja. Aber gleichzeitig mache ich mir Sorgen. Du hast den Brief von Pater Wendelin doch auch gelesen. Was er über die religiösen Eiferer in Konstanz schreibt, macht mir Angst. Einen Inquisitor hatten sie dort! Er beschuldigt Hebammen und weise Frauen, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Denk doch nur an Elisabeth.«
    »Konstanz ist weit weg«, gab Basilius zu bedenken.

9
    E he Grete an die Tür des Studierzimmers klopfte, in dem Kaplan Grumper bereits seit Stunden saß, strich sie ihr Gewand und ihre Haube sorgfältig glatt.
    »Komm herein«, forderte er sie auf.
    Grete trat in das hohe Zimmer des großzügigen Hauses, das gleich neben der Liebfrauenkirche in der Herrenstraße lag. Es war gut geheizt und sauber geputzt, wie sie befriedigt feststellte. Schließlich war sie diejenige, die in diesem Haus dafür sorgte, dass der Herr Kaplan es bequem hatte.
    »Ich will Eure kostbare Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen, aber ich habe Euch etwas zu berichten«, begann Grete leise, fast unterwürfig.
    »Du bist eine brave Frau. Setz dich für einen Moment. Was gibt es denn?«, entgegnete Eusebius Grumper und strich sich das grau durchzogene Haar aus der Stirn. Mit Spannung erwartete er Gretes Bericht und beglückwünschte sich einmal mehr, die Frau vor vielen Jahren bei sich aufgenommen zu haben. Arm und elend war Grete seinerzeit gewesen. Er hatte sie gespeist und ihr ein Dach über dem Kopf gegeben, seither verband sie beide eine unausgesprochene Abmachung. Er
konnte sich auf Grete verlassen, sie informierte ihn über jede Verfehlung unter den Weibern.
    Denn die Weiber waren es, die zusammen mit dem Teufel die Seelen der Männer fingen. Allein ihr wollüstiger Duft verleitete die Männer zur Sünde. Dazu ihr schmeichelndes Haar und ihre wohlgerundeten Brüste. Grumper wusste, wovon er sprach, jede Nacht drängten sie sich in seine Gedanken und raubten ihm den Schlaf. Meistens fand er erst gegen Morgen in der Marter seines Fleisches Erlösung. Besonders die Gassnerin quälte ihn und machte ihn rasend. Er hasste die junge Hebamme aus tiefster Seele. Ihren Verstand genau wie ihren Mut. Zuerst war sie nur vorlaut gewesen, doch bereits als sie noch ein halbes Kind war, hatte sie diesen süchtig machenden Reiz auf ihn ausgeübt. Ihr brennendes Haar und ihre weiße Haut verfolgten den Kaplan bis in seine Träume.
    Grete war ganz anders. Alles an ihr erinnerte Grumper an die Jungfrau Maria, die Muntzin war keusch und rein. Ihr entströmte nicht diese feuchte Hitze, wie sie manchen Weibern zu eigen war und mit der sie jeden Mann zwischen ihre rosigen Schenkel lockten. Grete umgaben allenfalls die Ausdünstungen, die von harter Arbeit und stundenlangem Gebet zeugten. Allein die Art, wie sie sich auf dem äußersten Rand des Stuhls niedergelassen hatte und demütig darauf wartete, dass er ihr das Wort erteilte, sprach für ihre Untadeligkeit. Wenn doch bloß alle Weiber wären wie sie, dachte Grumper und forderte sie mit einem Nicken auf zu sprechen.
    »Es geht um die Gassnerin, die neue Hebamme der Stadt. Immer öfter verlangen die Weiber nach ihr. Alle schreien sie nach diesem Malefizweib. Dabei flüstern sie sich allerlei wundertätige Geschichten über sie zu. Und niemand fragt, woraus
diese Person ihren Erfolg bezieht. Wer ihr diese Macht verleiht.« Grete hob in einer klagenden Geste die Hände, den Blick schlug sie aber züchtig zu Boden.
    Grumper nickte und sein Gesicht wurde zu Stein, wie immer, wenn diese verderbte Weibsperson ins Spiel kam.
    Der Kaplan wusste nur zu gut, dass die Totenglocke sehr viel seltener für ein Neugeborenes geläutet wurde, seit die junge Wehmutter in der Stadt regierte. Weit seltener als in all den Wintern davor. Und das, obwohl der ganze Landstrich derzeit von einer eisigen Kälte heimgesucht wurde, wie es nicht alle Jahre

Weitere Kostenlose Bücher