Seelenfeuer
wie elegant und gewandt der junge Mann doch war. Er war nach der französischen Mode gekleidet und trug eine eng anliegende schwarze Hose sowie ein samtenes Wams in der gleichen Farbe, dazu ein blütenweißes Hemd und lederne Stiefel.
»Der Wein ist vorzüglich. Ein edler Bodenseewein, wenn ich mich nicht täusche?«, sagte er zu Basilius, der einige Scheite im Kamin nachlegte.
Basilius nickte anerkennend. »Hoher Besuch erfordert einen besonderen Tropfen. Was du trinkst, ist ein guter, alter Hagnauer, also genieß ihn. Auf unser Wohl.« Basilius hob den zinnenen Becher und prostete zuerst Luzia, dann Johannes zu.
»Jungfer Luzia, verratet Ihr mir, welche Kräuter und Gewürze dem Wein dieses wunderbare Aroma verleihen?«
Basilius kicherte leise vor sich hin.
»Da musst du früher aufstehen. Nicht einmal mir sagt sie, was diesem Getränk seinen Zauber verleiht.«
Luzia lächelte zufrieden. »So ist es. Es gibt Dinge, die ein Geheimnis bleiben sollten!«, stellte sie entschieden fest.
Von der Wehr erkannte ein geheimnisvolles Blitzen in ihren Augen. Für einen Augenblick befürchtete er, darin zu ertrinken, doch dann wünschte er sich, nicht mehr daraus aufzutauchen.
»Ich glaube, Ihr habt einen Zaubertrank daraus gemacht«, sagte er.
Das war eine äußerst kühne Bemerkung, die Luzia leicht aus der Fassung brachte. Sie war froh, den Raum verlassen zu können, um die Bratäpfel zu servieren. Als sie zurückkam, wartete sein warmer Blick schon auf sie, und sie spürte ein Kribbeln. Sie kannte sich selbst nicht mehr, denn irgendwie fand sie Gefallen daran. Sie fühlte sich zum ersten Mal in ihrem Leben als Frau. Ein rascher Blick auf ihren Onkel zeigte ihr, dass auch er die Spannung bemerkte, aber er schien keinen Grund für einen Tadel zu sehen. Stattdessen räusperte er sich lautstark und machte sich am Feuer zu schaffen.
Von der Wehr konnte sich nicht erinnern, schon jemals einer so sinnlichen Frau begegnet zu sein. Die Art, wie sie sich bewegte, die wiegende Bewegung ihres Gangs. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihn anlächelte, um plötzlich doch errötend den Blick zu senken. Ihre kleine, schmale Hand, die sich in seiner so gut anfühlte. Die bezaubernde Mischung aus Verstand und vollkommener Weiblichkeit raubten ihm die Sinne. Ihr außergewöhnliches, in allen Rottönen schimmerndes Haar lebte in dem fast schmerzhaften Kontrast zu ihrer hellen Haut. Klar und rein, fand der Medicus, wie eine seltene und kostbare Austernperle. Er hätte sie gern ewig betrachtet. Die feine Linie ihres schlanken Halses. Ihren weichgeschwungenen Mund, das einzigartige Herz ihrer Oberlippe.
Erst als sie einen kleinen Schluck Wein in die Flamme des offenen Feuers goss, wo es mit fauchendem Zischen verdampfte, wurde er sich bewusst, in welchen Bann Luzia ihn gezogen hatte. »Einen Schluck Wein für die Götter?«
»Manchmal«, gab Luzia zurück.
Das flackernde Feuer tauchte den weißgekalkten Raum in zart schmelzendes Licht. Fast war es ihm, dass der Funke des Zunders auch das Haar dieser besonderen Frau erfasst hatte. Heute loderte es wie Flammenzungen um das helle Gesicht. Wie eine alles verzehrende, heiße Flamme, die Kühlung, ja Erlösung in ihrer schneeweißen Haut fand.
Eine weitere Stunde verflog im Nu, und Basilius lächelte immer wieder stillvergnügt in sich hinein. Von der Wehr genoss den Abend sichtlich, und auch Luzia schien sich gut zu unterhalten.
Sie erzählte von Seefelden, vor allem aber von den Umständen,
die sie zurück nach Ravensburg geführt hatten. Über ihre frühe Kindheit hingegen schwieg sie eisern.
Später begann der Medicus ein wenig über Frankreich zu plaudern. »Ich glaube, der Jardin des Plantes würde Euch sehr gefallen.«
»Der Jardin des Plantes?« Luzias Lippen formten die fremden Wörter.
»Frankreichs ältester botanischer Garten. Er ist einzigartig und besonders. Eine geheimnisvolle Schönheit umgibt ihn, die jeden in seinen Bann zieht.« Genau, wie Ihr es tut, dachte er.
»Seltene Pflanzen wurden mühsam aus der ganzen Welt zusammengetragen. Teilweise handelt es sich dabei um die letzten ihrer Art.«
»Eine Arche Noah also?«, wollte Luzia wissen.
Von der Wehr nickte anerkennend. »Das ist ein sehr treffender Vergleich. Viele Künstler zieht es des Lichts wegen in diesen bezaubernden Park. Dichter beziehen ihre Inspiration aus der großen, grünen Seele, selbst wissenschaftliche Vorlesungen finden im Schutz jahrhundertealter Bäume statt, und nicht zuletzt finden
Weitere Kostenlose Bücher