Seelenfeuer
ein Hospital angeschlossen. Wer krank war, konnte sich dort behandeln lassen, und wir als Studenten erhielten allerlei Möglichkeiten zur Anwendung unseres Wissens. All jene, die neben
ein paar wissenschaftlichen Sterndeutungen nicht viel für die Menschen und ihre Krankheiten übrighatten, schreckte das natürlich ab«, erklärte er belustigt und Luzia bemerkte die kleinen Grübchen, die sich in seinen Wangen bildeten, wenn er lachte.
»Das hört sich alles ganz wunderbar an.« Luzias Augen leuchteten vor Begeisterung. »Umfasste die Arbeit denn auch Pflanzenverordnungen?«
»Gewiss, schließlich gehörte Arnaldus de Villanova bis ins Jahr 1311 zu den bedeutendsten Professoren der Schule. Ihm haben wir neben vielen medizinischen Schriften auch das Eau de vie zu verdanken.«
Luzia nickte, wer kannte die meisterhafte Kräutereinreibung nicht? Sie hätte dem gut aussehenden Mann mit der unglaublichsten Stimme, die sie je vernommen hatte, noch ewig zugehört, wenn man sie nicht in die Unterstadt zu einer Entbindung gerufen hätte.
»Es war mir eine große Freude, Eure Bekanntschaft zu machen, und ich hoffe sehr, wir sehen uns bald einmal wieder.« Johannes von der Wehr hatte sich erhoben und sah ihr tief in die Augen.
Luzia erwiderte seinen Blick und nickte.
Basilius meldete sich zu Wort: »Wie wäre es, wenn wir Johannes für den nächsten Sonntag nach der Messe wieder zu uns einladen würden?«
»Wenn Ihr mir dann von Montpellier erzählt?«, entgegnete Luzia, doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie den Medicus nicht nur wegen seiner spannenden Erzählungen wiedersehen wollte.
»Wenn ich Euch damit nicht langweile?«
»Da kennst du meine Nichte aber schlecht. Zum einen interessiert sie sich für alles, was ihrer Arbeit zuträglich sein könnte, zum anderen konnte Luzia schon als Kind nicht genug über fremde Länder erfahren.«
Den dritten Grund kennt ihr zum guten Glück beide nicht, dachte Luzia und unterbrach den Redefluss ihres Onkels. »Er übertreibt wie immer«, bemerkte sie entschuldigend und strich sich eine Strähne ihres Haars zurück.
»Macht Euch keine Sorgen, ich kenne Euren Onkel schon eine ganze Weile.« Er verneigte sich wie zu Beginn ihrer Begegnung. »Ich habe mich in Eurer Gesellschaft sehr wohl gefühlt und ich freue mich bereits heute auf den nächsten Sonntag.«
Zum Abschied reichte er Luzia wieder die Hand und schenkte ihr ein Lächeln, das ihr Herz schneller schlagen ließ.
Luzia hatte sich gerade ihren guten Mantel für die Messe angezogen, als es an der Tür klopfte. Ihre Hilfe wurde in der Vorstadt Ölschwang benötigt, weil eine junge Frau, die ihre erste Schwangerschaft erlebte, Blutungen hatte. Luzia konnte sie beruhigen, weil es ihrem Kind gutging, und sie machte sich rasch auf den Heimweg. Als sie in der Marktstraße eintraf, war die Messe vorüber, aber sie hoffte, dass Johannes von der Wehr wie so häufig in den letzten Wochen Gast zum Mittagsmahl sein würde.
Zu ihrer großen Enttäuschung war der junge Arzt bereits im Begriff, das Haus zu verlassen, denn seine Anwesenheit wurde im Antoniterspital in der Herrengasse verlangt. Johannes half Luzia aus ihrem Mantel und zog dann den eigenen an.
Verlegen standen sie sich in der weitläufigen Wohnstube gegenüber.
»Ich denke, wir sollten Johannes zur Heiligen Nacht in die Marktstraße einladen. Was meinst du, liebe Luzia? Es wäre doch traurig, wenn ein junger Mann diesen besonderen Abend ganz allein verbringen müsste.« Bei diesen Worten zeigte Basilius ein feines Lächeln.
Zum ersten Mal war Luzia ihrem Onkel nicht böse wegen seiner Direktheit.
»Ich halte das für eine ausgezeichnete Idee. Außerdem gehört es zur Christenpflicht, in der Heiligen Nacht Fremde in sein Haus zu laden, nicht wahr?« Damit sah sie dem Medicus offen ins Gesicht.
»Wenn ich so charmant gebeten werde, nehme ich die Einladung sehr gern an«, entgegnete er mit einer leichten Verbeugung.
Luzia sah ihm nach, wie er eilends sein Pferd bestieg und auf der Marktstraße davonritt. Seit ihrer ersten Begegnung dachte sie häufiger an den jungen Mann, als schicklich war. Er hatte in ihr etwas zum Klingen gebracht, von dessen Existenz sie bisher nichts wusste.
Luzia ertappte sich, wie sie schon wieder an den jungen Medicus dachte. Dabei hatte sie einen ganzen Berg Wäsche zu flicken. Seufzend nahm sie das nächste Stück aus dem Korb. Ein paar Mal stach sie sich in den Finger, weil ihre Gedanken ständig abschweiften.
Als der
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