Seelenfeuer
Dienerin.
»Lebt die Frau aus Waldshut denn noch?«, unterbrach die Muntzin Grumpers Gedanken.
»Nein, nachdem es Heinrich Kramer endlich gelungen war, den Schweigezauber zu lösen, den der Teufel über die Hexe verhängt hatte, bekam er das Geständnis der Zauberin. Der Teufel hatte ihr außerordentliche Kräfte verliehen und sie gegen jeden Schmerz unempfindlich gemacht, aber letztlich nutzte ihr das alles nichts, sie wurde gerichtet und lebendig verbrannt.« Grumper machte eine Pause. »Sei so gut und bring mir jetzt einen Becher Wein, und dann lass mich meine Briefe schreiben.«
Grete knickste mehrmals, bevor sie das Schreibzimmer verließ. Sie hatte die Tür schon beinahe hinter sich geschlossen, als sie die mahnende Stimme ihres Dienstherrn hörte:
»Halte stets deine Augen und Ohren offen und berichte mir auch weiterhin, was du weißt.«
Grete nickte gehorsam. Etwas anderes hatte sie nie getan. Für Eusebius Grumper würde sie durch die Hölle gehen, und das wusste er.
Der Christtag kam mit viel Schnee und eisigen Temperaturen. Luzia war froh, den Rehbraten, den Weihnachtskarpfen und alle Zutaten für Bratäpfel bereits im Haus zu haben. Seit die Turmbläser den Tag verkündet hatten, kochte und buk sie in der großen Küche des Apothekerhauses, sie wollte ihrem Onkel nach der strengen vierzigtägigen Adventsfastenzeit eine besondere Freude bereiten. Doch daneben gab es noch einen
anderen Grund: Johannes von der Wehr! Gemeinsam würden sie zu Abend essen und im Anschluss die Christmette besuchen. Außerdem hatte ihr der Medicus seine Hilfe bei der Gabenverteilung für die Bedürftigen zugesagt. Luzia warf einen Blick auf den großen Korb voller rotwangiger Bodenseeäpfel und Lebkuchen, die sie nach der Messe verteilen wollten.
Sie kämmte sorgfältig ihr Haar. Heute würde sie auf keinen Fall den langweiligen Zopf tragen, zu dem sie an allen anderen Tagen ihr Haar bändigte. Sie teilte auf beiden Seiten eine Strähne ab und befestigte sie mit der kleinen silbernen Spange, die Elisabeth ihr zu ihrem siebzehnten Geburtstag geschenkt hatte, am Hinterkopf. So hatte sie den Blick frei und trug ihr Haar dennoch offen. In der Kirche würde sie es selbstverständlich bedecken, aber gleich während des Essens würde sie nur einen kleinen Schleier tragen. Sie befand das dunkelblaue Kleid mit dem etwas tieferen Dekolleté für das richtige. Ein Blick in den Spiegel sagte ihr, dass sie eine schöne junge Frau war. »Vorsicht vor der Eitelkeit, denn sie ist eine Sünde!«, rief sie ihrem Bild zu und lächelte sich an.
Sie ging durch die Wohnstube und legte auf alle Scherenstühle, die vor der Feuerstelle aufgestellt waren, ein paar zusätzliche Felle. Dazu entzündete sie zur Feier des Tages einige Wachskerzen und verteilte diese in der einladenden Wohnstube. Die Teppiche auf dem Boden hätten es nötig gehabt, genau wie die vielen Wandbehänge, welche vor den weißgekalkten Wänden hingen und dem Raum Behaglichkeit und Wärme verliehen. Sie strich mit dem Finger über die schwere Eichentruhe und über die Bücherregale die zu beiden Seiten des Kamins an der Wand standen, verächtlich blies sie den
Staub weg. »Siehst du dich noch?«, fragte sie laut. Elisabeths Worte, dachte sie, aber zum Saubermachen war es nun zu spät.
»Du siehst bezaubernd aus«, bemerkte Basilius, als er ins Zimmer kam.
Luzias Wangen röteten sich. Ein wenig verlegen legte sie ihm die Hand auf die Schulter. »Du hast dich aber auch fein gemacht«, erwiderte sie schmunzelnd.
»Jungfer Luzia, ich danke Euch nochmals für die herzliche Einladung. Das Essen war ganz wunderbar. Ich glaube, es war das Köstlichste seit vielen Jahren«, lobte von der Wehr einige Stunden später und schenkte Luzia ein Lächeln, das ihr Blut in Wallung brachte. Er reichte ihr die Hand, führte sie in einer eleganten Bewegung an seine Lippen und hauchte einen Kuss auf die zarte Haut. Noch nie hatte ihr ein Mann die Hand geküsst.
Luzia wurde ein wenig schwindelig. »Ihr übertreibt ebenso maßlos wie Basilius«, erwiderte sie lachend. »Aber ich freue mich, wenn es Euch geschmeckt hat.« Sie lehnte sich zurück, und das Licht der Kerzen fing sich in ihrem Haar. Es war wirklich ein gutes Essen gewesen, was auch an der heiteren Stimmung lag. Die Wortfetzen waren über den Tisch geflogen, sie hatte gelacht und gegessen und so manchen Becher Wein geleert.
Johannes von der Wehr war vom Tisch aufgestanden und lehnte lässig am Kamin. Luzia dachte wieder einmal,
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