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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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einen Moment hier. Ich muß noch etwas erledigen.«
    Tränen brannten Selene in den Augen, als sie ihrer Mutter nachsah. Sie strebte auf einen Mann zu, auf den mehrere einredeten. Selene hörte etwas von Wasserrechten in den Oasen. Aber das interessierte sie nicht. Sie sah nur, wie ihre Mutter hinkte, wie sie sich krampfhaft die Seite hielt, und sie erkannte, daß es die Wahrheit war: Ihre Mutter war dem Tod nahe.
    Noch einen Moment blieb Selene stehen, dann machte sie kurzentschlossen kehrt, rannte blind durch das Menschengewühl, sprang über Kisten und Bündel, schlug Bögen um Zelte und ruhende Tiere. Andreas, Andreas, dröhnte es in ihr.
    Als Selene die Straße in der Oberstadt erreichte, hatte der Himmel sich schon verdunkelt, und über den Dächern glänzte ein erster Schimmer des Mondlichts.
    Würde Mera ohne sie reisen? Nein. Aber Selene wußte, wenn sie nicht rechtzeitig zurück war, würde die Karawane aufbrechen und Mera allein in einem nächtlichen Lager voller Reisender und Diebe zurücklassen. Und Mera hatte gewiß inzwischen gemerkt, daß ihre Tochter verschwunden war. Sie wird furchtbare Angst haben. Andreas und ich müssen schnellstens zu ihr zurück.
    Er würde Mera diesen Wahnsinn ausreden. Und wenn nicht, dann würde er mit ihnen nach Palmyra ziehen. Andreas!
    Selene riß am Glockenzug, als ginge es um ihr Leben, und als das Tor in der hohen Mauer geöffnet wurde, mußte sie erst Atem schöpfen, ehe sie sprechen konnte.
    »Ich muß deinen Herrn sprechen«, rief sie erregt. »Es ist dringend.«
    Zoë musterte Selene mit kühlem Blick, sah den Reiseumhang, den schönen Medizinkasten aus Ebenholz und Elfenbein, sah auch ihre Erregung und sagte: »Mein Herr ist nicht zu Hause.«
    »Nicht zu Hause? Aber er muß da sein.«
    »Er ist ausgegangen.«
    »Wohin?«
    »An den Hafen. Zu einem Schiffskapitän.«
    Selene war verzweifelt. Sie hatte keine Zeit mehr, ihn zu suchen. Jeden Moment würde die Karawane aufbrechen. Sie mußte zurück. Hastig ließ sie den Medizinkasten von der Schulter fallen, kniete nieder und klappte den Deckel auf. Zoë, die direkt vor ihr stand, sah ihr zu, wie sie ein Tonplättchen aus dem Kasten nahm, von der Art, wie es Ärzte benutzten, um ihre Rezepte aufzuschreiben. Dann spie sie auf eine Tintenplatte und rührte mit der Spitze einer Feder darin herum.
    »Gib das deinem Herrn«, sagte Selene, während sie schrieb. Auf dem Täfelchen stand: ›Wir sind auf der Straße nach Palmyra. Wir reisen mit einer Karawane unter dem Banner des Mars. Komm uns nach. Meine Mutter ist im Sterben.‹ Sie hielt einen Moment inne, dann schrieb sie noch: ›In Liebe‹.
    Nachdem Selene den Medizinkasten geschlossen und wieder auf die Schulter genommen hatte, hielt sie der Dienerin das Tontäfelchen hin. »Du weißt, wer ich bin, nicht wahr? Sag deinem Herrn, daß ich hier war. Und gib ihm das, sobald er zurückkehrt. Es ist dringend.«
    Zoë nahm das Täfelchen. »Sobald er zurückkehrt«, wiederholte sie und trat zurück, um das Tor zu schließen.
    »Und sag ihm«, fügte Selene hastig hinzu, »daß ich mit meiner Mutter auf der Straße nach Palmyra reise. Sag ihm, er soll mir nachkommen.«
    Zoë nickte, dann schloß sie das Tor und lauschte den verklingenden Schritten von Selene. Als nichts mehr zu hören war, warf Zoë einen Blick auf das Tontäfelchen, dann warf sie es auf den Gartenweg, zermalmte es unter ihrem Absatz und fegte den Pfad sauber.
    Andreas sah von seinem Schreibtisch auf und blickte durch das offene Fenster. Über den Dächern zeigte sich der erste Schimmer weißen Mondlichts. Er hatte gemeint, die Glocke am Tor gehört zu haben. Mit der Feder in der Hand wartete er. Wenn wirklich jemand am Tor war, ein Patient höchstwahrscheinlich, würde ihm das unverzüglich gemeldet werden.
    Er lauschte. Im Haus war alles still. Niemand kam. Es muß wohl die Glocke des Nachbarhauses gewesen sein, sagte sich Andreas und beugte sich wieder über die frische, unbeschriebene Schriftrolle auf seinem Tisch.
    Er hatte sie an diesem Nachmittag gekauft, nachdem er und Selene aus Daphne zurückgekommen waren; die erste Erwerbung in seinem neuen Leben. Ja, er sah diese Schriftrolle als das Symbol seines neuen Lebens an. Es sollte der Anfang eines medizinischen Lehrbuches werden. Der Anfang seiner gemeinsamen Zukunft mit Selene.
    Andreas wußte, daß er von Selenes Liebe inspiriert und ermutigt, Großes würde vollbringen können. Bei dem Gedanken faßte ihn Erregung. Es war ein so gewaltiger Schritt,

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