Seelenflüstern (German Edition)
Ich hätte einen Bericht schreiben müssen, genau wie bei einer Erlösung.«
Ich befreite mich aus seinen Armen. »Du hättest lügen können!«
»So läuft das nicht. Es ist mein Job, dich zu schützen, nicht, dich in Gefahr zu bringen.«
Sein Handy klingelte.
DARF.
»Ja? Wächter 438.« Während er zuhörte, strich Alden mir durchs Haar. »Ja, ich weiß … Das ist mir klar.« Er umarmte mich und küsste mich oben auf den Kopf. »Galvez Hotel. Zwölf Uhr. Ja, Sir.« Er legte das Telefon weg und drückte mich noch fester an sich.
»Was haben sie gesagt?« Ich vergrub das Gesicht an seinem Shirt. Am liebsten wäre ich in ihn hineingeschlüpft.
»Sie meinten, ich soll meine Angelegenheiten ordnen.«
Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Schluchzend grub ich die Finger in seinen Rücken. »Nein, Alden. Sag ihnen, dass es so nicht geht.«
Er hob mein Kinn an und küsste mich. Bald war sein Kuss nicht mehr so verzweifelt. Schließlich ließ er mich los. Das Feuer in seinen Augen war erloschen. Ich spürte, wie er sich innerlich von mir zurückzog.
»Gegen den RF kommt man nicht an«, flüsterte er. »Ich habe keine Angst. Es wird nicht wehtun, und sie lassen es aussehen wie einen Unfall, damit meine Eltern es irgendwann verarbeiten können.«
»Ich will aber nichts verarbeiten. Ich will, dass du bei mir bist«, schluchzte ich. Dabei krallte ich mich an seinem Shirt fest, als könnte ich ihn auf diese Art halten.
»Wahrscheinlich geben sie dir Horace als Partner. Ihr werdet gut zusammenarbeiten. Ihm kann ich dein Leben anvertrauen.«
»Mein Leben. Ganz genau, Alden. Es ist mein Leben – es gehört nicht dem RF. Wenn sie dich stilllegen, steige ich aus. Ich habe die Schnauze voll von diesem Mist. Ich kündige oder setze mich zur Ruhe. Was immer Seelenflüsterer eben machen. Von mir aus können die ihr Seelenmal, ihre ganzen bescheuerten Regeln und Gesetze nehmen und …« Alden ging ein paar Schritte von mir weg. Schon jetzt vermisste ich ihn und fühlte mich mindestens so hilflos wie gestern Abend nach der Fahrt mit Zak. Nur dass diesmal keine tröstenden Arme auf mich warteten.
Auf mich wartete nur ein Leben ohne Alden.
»Leb wohl, Lilian Rose.« Ich hasste den Ton in seiner Stimme. Diese Ruhe, diese Schicksalsergebenheit. Ich hielt mich an ihm fest. Er durfte nicht gehen. Das konnte er mir nicht antun. Er sollte mich nicht verlassen. Nicht jetzt.
»Nein! Das ist nicht der Abschied. Ich sage denen, dass du es tun musstest. Ich sage ihnen, dass es meine Schuld war.«
Er löste meine Finger von seinem Shirt, bog sie sanft gegen meine Handflächen und küsste dann die Innenseiten meiner Handgelenke. »Ich muss jetzt gehen, und ich hoffe, du überlegst dir das mit dem Ausstieg noch mal. Du bist eine wunderbare Seelenflüsterin. Durch dich wird die Welt zu einem besseren Ort. Meine Welt ist es auf jeden Fall geworden.« Er küsste mich sanft auf die Lippen. Der unverfängliche Rose-Kuss.
Bevor ich auch nur Luft holen konnte, war er weg.
Viel zu spät stolperte ich hinter ihm her; ich fiel mehr als ich rannte und knallte am Ende gegen die Haustür. Durch das schmale Fenster neben der Tür sah ich gerade noch, wie sein Wagen aus unserer Straße fuhr.
»Alden! Geh nicht weg!« Schluchzend trommelte ich mit den Fäusten gegen die Tür. Genau dasselbe wollte ich mit dem idiotischen RF und seinen hirnverbrannten Regeln machen.
Meine Beine gaben nach. Ich rutschte an der Tür nach unten und blieb auf dem kalten Fliesenboden sitzen. Die Arme um die Beine geschlungen, die Stirn an die kalte Scheibe gedrückt, starrte ich noch lange aus dem Fenster.
»Alden«, flüsterte ich. Wenigstens einen kleinen Rest von ihm wollte ich noch spüren. Aber da war nichts. Nur Schmerz und eine tiefe Leere.
Wie lange ich so dahockte, wusste ich nicht, und es war mir auch egal. Ob ich nun hier sitzen blieb, ob ich je wieder einer gestrandeten Seele half, ob ich atmete oder damit aufhörte – wen kümmerte das schon.
Das Loch in meinem Herzen war größer und noch viel leerer als vor dem Abend, an dem Alden aufgetaucht war und mein Leben auf den Kopf gestellt hatte.
Lilian Rose Anderson würde nie wieder dieselbe sein.
N E U N U N D Z W A N Z I G
I ch blieb einfach an der Haustür sitzen. Selbst wenn ich es gewollt hätte – ich konnte nichts tun. Mein Handy klingelte, doch ich reagierte nicht. Aldens Stimme noch einmal zu hören, hätte zu wehgetan, und jetzt mit Mom zu reden wäre ein
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